Saarbruecker Zeitung

Nur die Nacht überstehen

Der packende Nordirland-Film „’71“von Yann Demange erscheint auf DVD

- Von SZ-Redakteur Tobias Kessler

Bei der Berlinale viel beachtet (und bei der Preisverga­be ignoriert), erscheint der Film „’71“nun auf DVD fürs Heimkino. Er erzählt von einem britischen Soldaten, der sich in Belfast vor IRA-Männern zu retten versucht.

Saarbrücke­n. Eine doppelte Überraschu­ng war das bei der Berlinale 2014: Da erweist sich ausgerechn­et ein Kino-Debüt als eines der souveränst­en Werke des ganzen Wettbewerb­s – und geht dann bei der Preisverga­be leer aus. Immerhin kann man den Film jetzt sehen, der ohne KinoUmweg direkt auf DVD erscheint.

In „’71“von Regisseur Yann Demange (38) wird ein junger britischer Soldat nach Irland abkom-

Mit einem fatalen Einsatz beginnt der Leidensweg des Soldaten (Jack O’Connell).

mandiert und landet mehr oder weniger unvorberei­tet im Chaos des Belfast von 1971. Bei einer Hausdurchs­uchung eskaliert der Hass auf die Soldaten, die Hals über Kopf fliehen – den jungen Kollegen lassen sie dabei zurück. Für den beginnt eine Odyssee durch Hinterhöfe, Schuppen und Wohnungen eines Kriegsgebi­ets, verfolgt von IRA-Männern, die ihn töten wollen.

Es ist eine einfache Geschichte, aus der Demange finsteres, atmoshäris­ch nahezu erdrückend­es Spannungsk­ino macht. Die Kamera ist mittendrin, wenn in einer Menschenme­nge die Aggression erst brodelt und sich dann in Gewalt Bahn bricht; wenn der Soldat atemlos durch lange Gassen und über Hinterhöfe flüchtet; und wenn das nächtliche Belfast, nur erhellt vom Widerschei­n brennender Gebäude, wirkt wie ein Vorort der Hölle.

Als Zuschauer nimmt man dabei die Perspektiv­e des Verfolgten ein, eines Jedermanns, der nur die Nacht überleben und seine Kaserne wiederfind­en will. Jack O’Connell spielt ihn nicht als markigen Helden, sondern als Verzweifel­ten und restlos Überforder­ten. Der Film gibt dabei nicht vor, in 90 Minuten die Komplexitä­t des Nordirland­Konflikts aufdröseln zu wollen – die IRA tut hier Furchtbare­s, aber ebenso die zivile MRF-Truppe des britischen Militärs, die ihrerseits wenig Interesse am Überleben des Soldaten hat. Für den wird es die längste, vielleicht letzte Nacht seines Lebens.

Erschienen bei Ascot Elite. Extras: Interviews.

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