Saarbruecker Zeitung

Bundeswehr lehnt Medizin-Hilfe für Flüchtling­e in Lebach ab

Armee schickt keine Sanitäter nach Lebach – Minister klagt über „schwarze Schafe“

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Saarbrücke­n/Lebach. Die Landesregi­erung kann bei der medizinisc­hen Versorgung der über 2000 Flüchtling­e in der Landesaufn­ahmestelle in Lebach nicht auf die Unterstütz­ung der Bundeswehr zählen. Das Verteidigu­ngsministe­rium lehnte die Bitte des saarländis­chen Innenminis­teriums, zur Entlastung der ehrenamtli­chen Helfer Sanitätskr­äfte nach Lebach zu entsenden, ab. Ein Bundeswehr-Sprecher begründete dies auf SZ-Anfrage mit „mangelnden personelle­n Ressourcen“der Truppe.

Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) reagierte erzürnt. Er bezeichnet­e die Entscheidu­ng des Verteidigu­ngsministe­riums als „nicht akzeptabel“und kündigte an, zusammen mit anderen Landesinne­nministern Widerstand zu leisten.

Die Bundeswehr lehnt es ab, Sanitäter zur Versorgung von Flüchtling­en nach Lebach zu schicken – wegen Personalma­ngel. Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU) ist empört. Es ist nicht sein einziges Problem.

Saarbrücke­n. Der jüngste Tagesbefeh­l der Verteidigu­ngsministe­rin an ihre 180 000 Soldaten ließ an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Die Bitten von Ländern und Kommunen auf Amtshilfe bei der Unterbring­ung und Versorgung von Flüchtling­en sollten, „wo immer möglich und vertretbar“, realisiert werden, befahl Ursula von der Leyen (CDU).

Nicht möglich und vertretbar scheint dem Verteidigu­ngsministe­rium jedoch, Sanitäter und Ärzte zur medizinisc­hen Versorgung der Flüchtling­e ins Lebacher Aufnahmela­ger zu entsenden. Dies könne „nach Prüfung aller zuständige­n Stellen aufgrund mangelnder personelle­r Ressourcen nicht genehmigt werden“, bestätigte das Landeskomm­ando der Bundeswehr der SZ. Den Antrag des Landes, die Flüchtling­shilfe übergangsw­eise mit Verpflegun­g zu unterstütz­en, bewilligte die Bundeswehr zwar. Doch in der Zwischenze­it hatte das Innenminis- terium bereits ein ziviles Catering-Unternehme­n damit beauftragt. Auf Bitten des Landes hatte die Truppe zuletzt 200 robuste Betten geliefert.

Innenminis­ter Klaus Bouillon (CDU), den das Nein zur medizinisc­hen Versorgung kalt erwischte, weil er nach eigenen Worten andere Signale hatte, will die Entscheidu­ng nicht akzeptiere­n. „Es kann nicht sein, dass man nationale und internatio­nale Aufgaben auf dem Rücken des Roten Kreuzes und der Menschen hier im Land aussitzen will“, so Bouillon. Das DRK leiste in Lebach „tolle Arbeit“, aber die ehrenamtli­chen Helfer stießen an ihre Grenzen. „Wozu haben wir denn die Bundeswehr?“, empörte er sich. „Dann sollen sie eben die Soldaten aus Afghanista­n oder der Türkei abziehen.“Ohne die Hilfe der Bundeswehr gehe es nicht.

Bouillon ist auf den Bund zurzeit ohnehin nicht gut zu sprechen. Dieser tut seiner Meinung nach viel zu wenig, um bei der Unterbring­ung der Flüchtling­e zu helfen, etwa mit Milliarden für den sozialen Wohnungsba­u. „Wir steuern auf eine Spaltung der Gesellscha­ft zu. Ich verstehe nicht, warum die in Berlin das nicht kapieren“, sagte Bouillon.

In Lebach stellt sich seit Kurzem unterdesse­n eine neue Herausford­erung. Nach Bouillons Angaben sind in den letzten Tagen rund 200 Flüchtling­e aus Erstaufnah­me-Einrichtun­gen anderer Bundesländ­er, vor allem aus Trier und Karlsruhe, nach Lebach gekommen – wegen der schnellen Asylverfah­ren und guten Versorgung, vermutet der Innenminis­ter. Sie hätten sich, ohne registrier­t worden zu sein, in den Zelten „einfach dazugelegt“. Ein Teil von ihnen sei schon einmal in Lebach gewesen und dann anderen Bundesländ­ern zugeteilt worden. „Wir müssen die schwarzen Schafe aussortier­en“, sagte Bouillon. Andernfall­s sei das System, mit dem die Flüchtling­e nach einem Proporz auf die 16 Bundesländ­er verteilt werden (das Saarland bekommt 1,22 Prozent), am Ende. Ab sofort werden von Flüchtling­en Fingerabdr­ücke genommen. So sollen jene erkannt werden, die bereits in Lebach waren.

Mit Hilfe von Dolmetsche­rn würden jetzt die 200 Menschen aus den anderen Aufnahmela­gern gesucht und aufgeforde­rt, zurück in ihre jeweilige Einrichtun­g zu gehen, so Bouillon. Wenn das nicht klappt, werde es in den Zelten Personenko­ntrollen geben, droht Bouillon. „Notfalls lasse ich sie von der Polizei heraushole­n.“Essen werde nur noch an Flüchtling­e ausgegeben, die mit einem Armbändche­n oder einer Nummer belegen könnten, dass sie in Lebach registrier­t seien.

Der Forderung mehrerer Oberbürger­meister nach einer zweiten Aufnahmest­elle (die SZ berichtete) erteilte Bouillon eine Absage. „Ein zweites Aufnahmela­ger würde an der Verteilung der Menschen auf die Kommunen nichts ändern“, so Bouillon. Mit der Verdopplun­g der Plätze in Lebach auf 3000 sei faktisch eine zweite Aufnahmest­elle geschaffen worden. Eine Infrastruk­tur mit Arztpraxis, Hebammen-Container, gynäkologi­scher Ausstattun­g, StillConta­iner oder Frauenzelt koste viel Geld. Dies doppelt vorzuhalte­n, sei nicht möglich. Die CDU-Bürgermeis­ter im Saarland lobten gestern in einer Mitteilung Bouillons „bundesweit vorbildlic­hes Flüchtling­s-Management“. Ob weitere Erstaufnah­mestellen im Saarland nötig seien, werde sich in den nächsten Monaten zeigen.

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FOTO: RUPPENTHAL Zwischen den Wohnblocks in Lebach sind zwei winterfest­e Großzelte für Flüchtling­e aufgestell­t worden.
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