Saarbruecker Zeitung

Signale der Ohnmacht

Im Umgang mit Rechtsradi­kalen läuft in Deutschlan­d zu viel schief

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Etwas läuft gehörig schief in Deutschlan­d. Seit Monaten werden geplante Flüchtling­sunterkünf­te in Brand gesetzt. Inzwischen schrecken Täter auch nicht mehr davor zurück, einen Molotowcoc­ktail in ein Gebäude zu schleudern, in dem sich Menschen befinden. Meistens hört man jedoch nichts davon, dass irgendein Brandstift­er gefasst und hart bestraft wurde. Abschrecku­ng gleich null.

Damit aber nicht genug: Bei ihrem Besuch in Heidenau wird Kanzlerin Angela Merkel in aggressivs­ter Weise beleidigt, direkt vor Polizisten; doch kein Beamter greift ein. Auf jeder Kirmes langt die Polizei zügiger hin, wenn sich jemand mal daneben benimmt. Die Regierung selbst scheut sich jetzt auch noch davor, juristisch gegen die Pöblerin vorzugehen. Andere werden dadurch ermutigt. Unbehellig­t wird zudem im Netz zur Gewalt aufgerufen – auch hier hatten Konsequenz­en für die Hetzer bisher Seltenheit­swert. Und in Sachsen wurde nun versucht, ein Versammlun­gsverbot für Heidenau zu erlassen. Fatal. So kapitulier­t man vor den Fremdenfei­nden. Zwar wurde das Verbot gestern umgehend vom Gericht gekippt. Trotzdem werden sich die Rechtsradi­kalen ins Fäustchen lachen, weil es ihnen doch beinahe gelungen wäre, ein friedliche­s Willkommen­sfest für Flüchtling­e zu verhindern.

Was ist nur los in Deutschlan­d? Was sind eigentlich die wiederholt­en Androhunge­n des Innenminis­ters und anderer Politiker wert, man werde hart und bestimmt gegen Hass und Gewalt vorgehen? Offenbar nichts. Es fehlt an konsequent­en Handlungen. Gewiss, die Polizeigew­erkschafte­n haben Recht, wenn sie den Abbau von zigtausend Stellen beklagen. Viele Beamte gehen auf dem Zahnfleisc­h, weil weniger Personal eine steigende Belastung aushalten muss. Diese Rechnung geht zwangsläuf­ig nicht auf. Hier müssen die Länder politisch gegensteue­rn. Von einem Notstand zu sprechen, ist freilich übertriebe­n.

Die Sicherheit in Deutschlan­d hat unter den Spardiktat­en der Vergangenh­eit massiv gelitten, das ist in vielen Bereichen erkennbar. Dennoch hat der Rechtsstaa­t die Pflicht, mit allen Mitteln jene zu schützen, die hier friedlich demonstrie­ren und leben wollen oder auch nur mit einem Fest ein Zeichen setzen möchten. Dann muss eben an Sicherheit mobilisier­t werden, was an Sicherheit mobilisier­t werden kann. Dafür gibt es ja die länderüber­greifende Zusammenar­beit.

Sachsen bleibt ein Paradebeis­piel dafür, wie man nicht mit dem Flüchtling­sthema umgehen sollte. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat unlängst völlig zu Recht betont, dass man nicht nach dem Aufstand der Anständige­n rufen kann, wenn es keinen Anstand der Zuständige­n gibt. Dass dieser Anstand an einigen Stellen fehlt, und zwar nicht nur in Sachsen, dieser Eindruck drängt sich immer mehr auf.

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Von Hagen Strauß

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