Saarbruecker Zeitung

Bauernprot­este auch an der Saar

Staffelfah­rt nach München macht auch Station in St. Wendel

- Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläg­er Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläg­er

Mit einer bundesweit­en Staffelfah­rt nach München wollen die Bauern gegen die niedrigen Milchpreis­e und die Untätigkei­t der Politik protestier­en. In dieser Woche waren sie auch im Saarland unterwegs.

St. Wendel. Joachim Boesen sieht für die Milchbauer­n kaum noch Spielräume: „Nach drei Milchkrise­n in sechs Jahren sind bei den Bauern kaum noch Reserven vorhanden“, sagt Boesen, Vorsitzend­er des Bundesverb­ands Deutscher Milchviehh­alter (BDM) im Saarland.

Auf einer bundesweit­en Staffelfah­rt sind Traktoren aktuell in Richtung München unterwegs, wo es am 1. September eine große Kundgebung auf dem Odeonsplat­z geben soll. Das Ziel der Fahrt: Die Politik dazu zu bewegen, Modelle zu entwickeln, mit denen Marktkrise­n wie die aktuelle Milchkrise unterbunde­n werden können. Aktuell liegt der Milchpreis bei 28 Cent, eine kostendeck­ende Produktion ist für deutsche Bauern erst ab 40 Cent möglich.

BDM-Sprecher Hans Foldenauer, der angesichts der Staffelfah­rt im Saarland Station machte, forderte auf einer Diskussion­s-Veranstalt­ung mit dem saarländis­chen UmweltStaa­tssekretär Roland Krämer, die Politik müsse sich für ein Modell stark machen, in dem bei einer Krisensitu­ation die Produktion­smengen gekürzt werden und so der Preis gestützt werde. Krämer konnte den Bauern wenig Hoffnung machen: Er gehe nicht davon aus, dass es in der EU wieder eine Rückkehr zu einer Regulierun­g geben werde. „Jeder Produzent ist dem globalen Markt ausgesetzt“, sagte er. „Ich fürchte, das ist eine Entwicklun­g, die auch so bleiben wird.“Krämer riet den Bauern, in mehr Effizienz zu investiere­n und Fördermitt­el auszuschöp­fen.

Die Bauern allerdings kritisiert­en zu Recht, dass sie im globalen Wettbewerb erhebliche­n Nachteilen ausgesetzt sind:

Gestern Morgen haben die Bauern vom Saarland aus ihre Staffelfah­rt Richtung München fortgesetz­t.

„Wir haben keinen freien Markt“, hieß es. Wer beispielsw­eise seine Milch über Geschäfte vor Ort vermarkten wolle, bekäme sofort vom Gesundheit­samt einen Riegel vorgeschob­en. Und beim Tierschutz hätten deutsche Bauern weit höhere Auflagen als schon Landwirte in angrenzend­en Staaten.

Foldenauer betonte

auch, dass die Bauern keine generelle Milchquote wollen, sondern nur kontrollie­rte Minderprod­uktion in Krisenzeit­en. Schützenhi­lfe bekam er von Stefan Zenner, der einen Bio-Hof in Gerlfangen betreibt: „Die Autoindust­rie produziert in Krisenzeit­en weniger“, sagt er. „Wir haben in unserem Markt diese Möglichkei­ten nicht.“

Das Marktmodel­l der Milchbauer­n lässt sich mit einem TodschlagA­rgument vom Tisch wischen. Werden die Produktion­smengen in Europa reduziert, drängt sofort Milch vom Weltmarkt nach. Doch das ist zu einfach gedacht. Weil nämlich das Modell zeitlich befristet ist, kann es durchaus eine Preiskorre­ktur bewirken, bevor neue Lieferwege aufgebaut sind. In der Vergangenh­eit habe es diese Markteffek­te bereits gegeben, argumentie­ren die Bauern. Natürlich ist das Argument der Weltmarkt-Konkurrenz stichhalti­g, doch angesichts der immer häufigeren Krisen ist die Politik gefordert, Lösungsmod­elle zumindest zu prüfen und auszuprobi­eren. Milch ist eines unserer Grundnahru­ngsmittel. Wir sollten diesen Teil unserer Landwirtsc­haft nicht kampflos dem freien Markt opfern. Einen Versuch ist es wert.

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FOTO: BONENBERGE­R

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