Computer kontrolliert Kühe
Smartphone-Apps finden in der Landwirtschaft immer stärkere Verbreitung
Wer denkt bei Smartphone-Anwendungen schon an Kühe und Schweine? Dabei sind die digitalen Anwendungen aus der Landwirtschaft nicht mehr wegzudenken. Für App-Hersteller öffnet das einen großen Absatzmarkt.
Bielefeld. Der Milchvieh-Landwirt Dennis Strothlüke am Stadtrand von Bielefeld hat vor einigen Jahren digital aufgerüstet. Seither sagt ihm sein Handy, wann die Kühe brünstig sind, wann sie kalben, wann die Gerste reif ist und wie er seine Landmaschinen für welches Saatgut einstellen muss. Für den 38-jährigen und viele seiner Kollegen ist die digitale Technik ein wirtschaftlich wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit auf dem Bauernhof.
Um diese Technik auf dem Hof zu entdecken, muss man genau hinsehen: Die Strothlükes führen einen mittelgroßen reinen Milchvieh-Betrieb mit rund 135 Kühen. Früher standen sie in einem alten geschlossenen Stall, vor Jahrzehnten erbaut. 2012 haben die Landwirte einen modernen und offenen Laufstall angebaut. Jetzt können die Kühe frei zwischen den beiden Ställen hin und her laufen. Knapp die Hälfte von ihnen trägt ein Halsband mit einer speziellen Funktion: Es erstellt ein Bewegungsprofil. Wenn sich eines der Tiere überdurchschnittlich viel bewegt, sendet das Halsband die Daten an Strothlükes Handy. So könne er erkennen, dass eine Kuh brünstig ist und den Besamungstechniker rufen, erklärt der 38-Jährige. Dann bleiben wenige Stunden Zeit, um die Kuh künstlich zu befruchten. „Seit wir die Anwendung installiert haben, haben wir eine Besamungsquote von über 95 Prozent“, schätzt er. „Das heißt,
Landwirt Dennis Strothlüke hockt mit dem Tablet-PC im Kuhstall. Er kontrolliert seine Kühe mit einer App.
fast alle Tiere, die brünstig sind, werden erfolgreich besamt. Das waren davor deutlich weniger.“Kosten eines einzigen Halsbands: 140 Euro.
Eine höhere Besamungsquote bedeutet mehr Kälber – und einen höheren Umsatz für den Hof. „Früher hat eine Kuh bei uns alle 422 Tage ein Kalb zur Welt gebracht. Seit wir die Technik haben, ist es ein Kalb pro Kuh alle 388 Tage“, sagt Strothlüke. Digitale Anwendungen sind darum vor allem wirtschaftlich ein wichtiger Faktor für die LandwirtschaftsBetriebe. Die rund 10 000 Euro, die die sogenannte Brunsterkennung gekostet hat, hatte er schnell wieder drin, sagt Strothlüke.
„In ganz Nordrhein-Westfalen ist die digitale Technik bei den Landwirten sehr stark verbreitet“, erklärt Bernhard Rüb, Pressesprecher der Landwirtschaftskammer NordrheinWestfalen. Laut einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom nutzt bundesweit inzwischen jeder fünfte Bauer solche und ähnliche LandwirtschaftsAnwendungen.
Dabei ist die Brunsterkennung nur eine von vielen verschiedenen digitalen Anwendungen in Viehbetrieben. Andere Apps analysieren den Milchfluss und liefern Informationen über den Gesundheitszustand der Kühe. Die Strothlükes nutzen eine ähnliche Technik, mit der die Wiederkäu-Aktivität der Tiere gemessen wird. Auch diese Anwendung gibt Auskunft über die Gesundheit der Kühe nach der Geburt eines Kalbs. Es gibt automatische Fütterungssysteme in Schweineställen, und Geflügelhalter nutzen digitale Temperaturregler.
Technische Neuerungen gibt es aber nicht nur in der Viehwirtschaft, sondern vor allem auch beim Ackerbau: „In den Cockpits moderner Mähdrescher befinden sich inzwischen mehr Computer als man für die Mondlandung braucht“, sagt Bernhard Rüb. Diese Entwicklung eröffnet wiederum den Softwareherstellern einen stetig wachsenden Absatzmarkt. Für die kommenden zehn Jahre erwartet Bitkom, dass Softwarehersteller rund drei Milliarden Euro mit digitalen Anwendungen allein für die Landwirtschaft umsetzen können.
Weniger zu tun hat Strothlüke durch die moderne Technik allerdings nicht. Nur durchschlafen kann er jetzt öfter. Denn wenn er wissen will, ob eine Kuh kalbt, muss er nicht in den Stall rennen: „Ein Blick aufs Handy genügt.“