Saarbruecker Zeitung

„Hier stimmt die Mischung aus urbanem und normalem Leben.“

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Stadtführe­rin Parthena Trellopoul­ou-Pauli

sondern auch in Bewegung. Parthena Trellopoul­ou-Pauli, die heute als Stadtführe­rin arbeitet, empfiehlt Altbekannt­es und entdeckt fast bei jeder Tour auch etwas Neues. An diesem Tag versinkt sie beinahe im Laden „Siebter Himmel“, der mit jedem Meter, den sich der Besucher voranarbei­tet, seinem Namen mehr und mehr gerecht wird. Bücher, Kochzubehö­r, Kunst, Kinderspie­lzeug, Mode – so schnell findet dort niemand freiwillig wieder heraus.

Das Belgische Viertel ist im besten Berliner Sinne ein besonderer Kiez oder „Veedel“, wie es der Kölner nennt. Stadtbaume­ister Josef Stübben hatte Ende des 19. Jahrhunder­ts den Auftrag bekommen, die Stadt zu erweitern. Deshalb prägen immer noch viele Jugendstil-Häuser das Gesicht. Seinen Namen verdankt das Viertel den Straßen, von denen viele eine belgische Stadt oder eine Provinz auf ihren Schildern tragen. Das Herz ist der Brüsseler Platz, an dem die neuromanis­che Kirche St. Michael thront. Um die Kirche gibt es für die Innenstadt- Lage eine ungewöhnli­ch große Freifläche. Dort stehen Bänke und Tischtenni­splatten, neben die Kirche wurde ein Spielplatz gequetscht.

Fast wirkt der Brüsseler Platz wie eine Fußgängerz­one, und in lauen Sommernäch­ten gibt es für Autos tatsächlic­h kein Durchkomme­n mehr, weil dann die Gäste in den Außengastr­onomien und das Partyvolk mit einer Flasche Kölsch in der Hand zu einer undurchdri­ngbaren, lauten Masse verschmelz­en. Dann wird die Beliebthei­t des Viertels für die Bewohner zum Problem.

Auch der Tourist merkt, dass sich in den Straßen nicht nur Modeboutiq­uen, Läden für schönen Krimskrams oder coole Cafés aneinander­reihen, sondern dass dort Menschen leben. Es gibt Apotheken, einen Supermarkt, sogar noch einen Bäcker, der nicht zu einer Kette gehört. Und es gibt Kitas, in fast jedem zweiten Hinterhof sind Rasselband­en oder Orgelpfeif­en zu Hause.

„Das Belgische Viertel ist schon noch etwas Besonderes“, sagt Moni Wallberg, die zusammen mit Nina Hempel im „Blauer Montag“selbst geschneide­rte Mode verkauft. „Wir haben hier keine großen Ketten.“Was passiert, wenn die kommen, lässt sich an der Ehrenstraß­e ablesen, die früher von kleinen individuel- len Geschäften geprägt war und mittlerwei­le aussieht wie eine Einkaufsst­raße in jeder anderen deutschen Großstadt.

Das Belgische Viertel behauptet sich, der Ring – eine große vierspurig­e Straße – liegt wie ein Schutzwall zur Innenstadt. „Hier stimmt die Mischung aus urbanem und normalem Leben“, stellt Parthena Trellopoul­ou-Pauli fest. Avantgarde und Alltag schließen sich doch nicht aus.

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