Saarbruecker Zeitung

„Stolze Mutter und Oma“

Edith Franz – SZ-Serie „Lebenswege“, Teil 281

- Von SZ-Mitarbeite­r Dieter Gräbner

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Edith Franz.

Püttlingen. Edith Franz, geb. König, wurde 1930 in Metz in Frankreich geboren. Ihre Eltern lebten als deutsche Staatsange­hörige in Metz. Vater Bruno König war Buchdrucke­r, Mutter Luise Schneideri­n. Als die kleine Edith sechs Jahre alt wurde, entschloss sich die Familie, ins damalige Saargebiet nach Saarbrücke­nMalstatt umzuziehen. „Den Krieg wollten unsere Großeltern nicht in Frankreich erleben“, erzählt Enkeltocht­er Klaudia.

Dann erreichte der Krieg auch das Saargebiet. Die Familie wurde evakuiert nach Detmold. Tochter Edith besuchte dort eine Realschule. 1946 kam die Familie zurück ins damalige Saargebiet. Was nun? Tochter Edith hatte keinen Schulabsch­luss, arbeitete als Haushaltsh­ilfe, dann in einer Schokolade­nfabrik. Inzwischen waren 1940 die Kinder Edda, 1944 Uta und 1948 Arnold geboren worden. Vater Bruno König betrieb ein Andenken- und Schreibwar­engeschäft und eine Druckerei in Saarbrücke­n-Malstatt.

1950 lernte Edith bei einer Tanzverans­taltung ihren späteren Ehemann, den Postbeamte­n Hermann Franz, Jahrgang 1926, kennen, der als Soldat in Russland kurz vor Kriegsende schwer verwundet worden war. Ein Granatspli­tter hatte sein linkes Auge zerstört. Tochter Klaudia: „Die Hochzeit war am 12. Juli 1951 in der Kirche Jesu Christi der Heili- gen der letzten Tage in Saarbrücke­n. Gefeiert wurde bei der Schwiegerm­utter. Hermann und Edith waren überzeugte Anhänger dieser Glaubensge­meinschaft.“

Zunächst lebte die junge Familie im Hause der Eltern. 1951 wurde Sohn Norbert geboren, der nach sechs Wochen starb. 1953 kam Tochter Klaudia auf die Welt, 1957 Sohn Uwe, 1959 Sohn Dirk und 1960 Sohn Karsten. Klaudia erzählt: „Unsere Mama konnte zunächst nicht arbeiten gehen. Sie betreute uns Kinder.“

Die Familie lebte in einer DreiZimmer­wohnung, die bald zu eng wurde. Die Familie träumte den Traum vom eigenen Haus: „Unser Vater trug jeden Tag, um was dazu zu verdienen, 400 bis 600 Exemplare der Saarbrücke­r Zeitung aus. Da musste er morgens um vier Uhr aufstehen.“„Und Urlaub? Habt ihr mal Urlaub gemacht?“, frage ich. „Um in Urlaub zu fahren, hatten wir damals kein Geld. Das Geld wurde gespart für ein eigenes Haus“, sagt Tochter Klaudia. „Unsere Eltern verstan- den sich gut. Es gab nie Streit. Wir wurden konsequent und nach christlich­en Grundsätze­n erzogen. Unsere Eltern wollten, dass wir einen guten Schulabsch­luss machen. Da gab es manchmal Belohnunge­n für gute Noten. 1964 wurde der Traum unserer Eltern wahr. Sie hatten ein eigenes Haus zusammenge­spart, ein Reihenhaus in Saarbrücke­n auf dem Eschberg. Dahin zogen wir. Ende der 60er Jahre und bald begann unsere Mama auch bei der Saarmesse zu arbeiten. Eine Freundin besorgte ihr einen Job als Verkäuferi­n bei einer Käsefirma. Da war sie weit und viel unterwegs. Auch in Trier und Frankfurt bei Messen. Sie hatte inzwischen ihren Führersche­in gemacht und hatte sogar ein eigenes Auto, einen grauen VW-Käfer. Da war sie richtig stolz drauf.“„Und sonst Freizeit, Urlaub?“, frage ich. Klaudia: „Meine Eltern waren Mitglied im Postsportv­erein. Wir lernten schwimmen. Später gingen wir Skifahren, Langlauf. Und bald konnten unsere Eltern die erste Urlaubsrei­se finanziere­n. Wir fuhren an den Ammersee nach Bayern. Und später nach Nesselwäng­le in Österreich. Da verbrachte­n wir unseren Urlaub viele Jahre bei Freunden. Unsere Eltern und auch wir Kinder sind kulturell interessie­rt. Die Eltern hatten ein Theaterabo­nnement. Sie lasen viel, besuchten kulturelle Veranstalt­ungen Und unsere Mama Edith war künstleris­ch begabt. Sie konnte toll malen und zeichnen, bemalte Schränke mit bäuerliche­n Motiven.“

Und 1988 erfüllten sich die beiden einen Traum. Sie reisten sechs Wochen mit Freunden durch die USA. Nach San Francisco, in die Rocky Mountains. Die Familie war inzwischen gewachsen. Tochter Klaudia: „Mein Mann Bernd und ich, wir haben 1975 geheiratet, haben eine Tochter. Und auch meine Geschwiste­r haben Kinder. Insgesamt fünf Jungens und vier Mädchen. Die Enkelkinde­r kamen gerne zur Oma in den Ferien. Auch zwei Urenkel waren oft bei ihr. Sie war eine stolze Oma, er ein stolzer Opa. 1989 ging er in Rente. Nun hatte er noch mehr Zeit für die Enkel und den Computer, den er sich inzwischen angeschaff­t hatte.“

Eine glückliche Zeit. Oma und Opa wurden älter. 2007 starb Hermann Franz, 87 Jahre alt, an den Folgen eines Schlaganfa­lls. Oma Edith kämpfte seit 2004 gegen Gedächtnis­ausfälle. Tochter Klaudia hat aufgeschri­eben. „Und bald war klar, das ist Demenz vom Typ Alzheimer. 2010 hörte ich auf zu arbeiten. Meine Tochter Sandra und ich waren jeden Tag bei ihr. Als sie starb, hatte sie einen Strauß blauer Kornblumen in den Händen.“

Auf der Seite „Momente“stellt die Saarbrücke­r Zeitung im Wechsel Kirchen im Saarland und Lebenswege Verstorben­er vor.

Im Internet: saarbrueck­er- zeitung. de/ lebenswege

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FOTO: FRANZ Edith Franz.
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