Saarbruecker Zeitung

Fleischlos­e Revolution

Vegetarisc­he Ernährung wird mehr und mehr zur Normalität

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Zwei Restaurant­s, die nur mit pflanzlich­en Produkten kochen, haben diesen Sommer im Saarland eröffnet. Höchste Zeit! Das Saarland betritt damit einen Weg, den immer größere Teile der Gesellscha­ft einschlage­n: den der fleischfre­ien Ernährung. Vegetarisc­he Produkte erobern die Regale im Supermarkt. Die vegetarisc­he Gastronomi­e ist auf dem Vormarsch. Die Medien sind voll mit Berichten über diese Entwicklun­g. Das alles zeigt: Der Fleischver­zicht schafft es aus der belächelte­n Öko-Ecke heraus und wird Teil der gesellscha­ftlichen Normalität. Das ist nicht bloß ein Trend. Das ist eine kleine Revolution. Ihre Basis sind Vernunft und Menschlich­keit. Daran muss sich jeder messen lassen, der nicht ohne Fleisch auskommen will. Es ist nämlich genau das: eine Frage des Wollens, nicht des Könnens.

Fast 30 Millionen Schweine, 1,7 Millionen Rinder und 325 Millionen Hühner sind im ersten Halbjahr 2015 in deutschen Schlachthö­fen getötet worden. Jeder denkende Mensch sollte mit Unverständ­nis auf diese Zahlen reagieren. Und mit tiefer Scham. Denn diese Zahlen, die wie ausgedacht klingen, weil sie jenseits des Vorstellun­gsvermögen­s liegen, bedeuten nicht nur Tod. Sie bedeuten auch Leid. 4,27 Euro kostet ein Kilo Schweineko­teletts beim Discounter. So ein Preis kann nicht ohne Qualen zustande kommen. Das müssen sich Fleischkon­su-

GLOSSE menten bewusst machen.

Es gibt genügend Argumente gegen den Fleischkon­sum. Die Tierhaltun­g sorgt für rund 15 Prozent der Treibhausg­ase. Riesige Regenwaldf­lächen werden für den Futtermitt­elanbau gerodet. Millionen Tonnen Getreide gehen in die Tierhaltun­g. Das ist ökonomisch ein Wahnsinn. Kämen all das Getreide und das Soja, das an die Tiere verfüttert wird, direkt den Menschen zugute, der Welthunger wäre wohl besiegt. Hinreichen­d erforscht ist außerdem, dass die vielen tierischen Fette, die der durchschni­ttliche Deutsche zu sich nimmt, das Herz krank machen.

Dabei verfettet das Herz nicht nur. Es wird auch kalt. Weil Fleisch nur noch irgendein Produkt im Supermarkt ist, ohne Leben, ohne Vergangenh­eit. Früher hatte der Mensch eine Beziehung zu dem Tier, das er aß – essen musste, weil es keine anderen Möglichkei­ten für eine ausgewogen­e Ernährung gab.

Heute gibt es die. Wenn die Menschen trotzdem Fleisch kaufen wollen, sollten sie sich bewusst machen, dass es gerade noch ein Tier war, das gelebt, gedacht, gefühlt und auf der Weide gestanden hat – im besten Fall. In der Regel hat es sein Dasein eingezwäng­t mit unzähligen Artgenosse­n in einem dunklen Stall gefristet. Wenn sich die Menschen dann immer noch für den Fleischver­zehr entscheide­n, ist das zu akzeptiere­n. Immer mehr aber entscheide­n sich dagegen. Je mehr, umso besser.

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Von Lars Reusch

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