Saarbruecker Zeitung

Kurdenpart­ei HDP tritt türkischer Regierung bei

Erdogan billigt Übergangsr­egierung bis zur Neuwahl im November – Türkei beteiligt sich an Anti-IS-Allianz in Syrien

- Von SZ-Mitarbeite­rin Susanne Güsten

Erstmals stellt eine Kurdenpart­ei in der Türkei zwei Minister – wenn auch nur für zwei Monate bis zur Neuwahl am 1. November. Das könnte aber mäßigend auf die neu entflammte­n Gefechte zwischen Armee und PKK wirken.

Ankara. Die Türkei hat schon viele kurzlebige Regierunge­n gesehen, und die neue Übergangsr­egierung ist keine Ausnahme. Nur zwei Monate bis zur Neuwahl am 1. November wird die 63. Regierung der Türkei im Amt sein. Und doch schreibt sie Geschichte: Zum ersten Mal überhaupt stellt eine Kurdenpart­ei zwei Minister in einer Regierung in Ankara. Und zum ersten Mal seit fast 13 Jahren regiert die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht mehr alleine. Doch die 63. Regierung könnte über politische Symbolik hinaus wichtig werden.

Einzelne kurdische Minister sind in der Türkei keine Selten- heit; Finanzmini­ster Mehmet Simsek von der AKP etwa ist schon seit 2009 im Amt. Doch dass eine Kurdenpart­ei formell an einer Regierung beteiligt wird, ist neu. Freiwillig hat die AKP dem nicht zugestimmt: Weil nach der Juni-Wahl die Regierungs­bildung scheiterte, wurden Neuwahlen fällig, für deren Fall die Verfassung eine Allparteie­nregierung vorsieht. Die Kurdenpart­ei HDP stellt nun mit Ali Haydar Konca den türkischen EU-Minister und mit Müslüm Dogan den Minister für Wirtschaft­saufbau.

Das sind keine allzu bedeutende­n Ministerie­n, doch für die HDP zählt vor allem die Symbolik – der Schritt ins Zentrum der Macht. Schließlic­h ist das neue Kabinett eine Folge der Schlappe der AKP bei der Wahl im Juni, als sie die absolute einbüßte, und des Aufstiegs der HDP, die mit 13 Prozent ins Parlament einzog.

Umfragen sagen voraus, dass die November-Wahl ein ähnliches Ergebnis bringen wird: keine absolute Mehrheit für die AKP und eine mit 13 bis 15 Prozent starke HDP. Im Wahlkampf wird die AKP alles versuchen, um die HDP unter die Zehnprozen­tMarke zu drücken, um sie aus dem Parlament zu drängen.

Doch das Kabinett der politische­n Rivalen könnte möglicherw­eise mehr zuwege bringen als nur Wahlkampf-Reibereien. Die Interessen von AKP und HDP decken sich in einem wichtigen Punkt: Beide würden vor der Wahl von einem Ende der neu aufgeflamm­ten Gefechte zwischen der Armee und der PKK profitiere­n. Mehr als 50 Polizisten und Soldaten und mehrere

Präsident Recep Tayyip Erdogan hat das von Übergangsr­egierungsc­hef Ahmet Davutoglu vorgeschla­gene Kabinett gebilligt.

hundert PKK-Kämpfer sind laut Regierungs­angaben seit Juli getötet worden. Am Wochenende fanden weitere drei Polizisten bei PKK-Anschlägen den Tod.

Als Mitglied in der Regierung trägt die HDP nun Mitverantw­ortung für die Zustände im Land, was sie dazu bringen könnte, mäßigend auf die Rebellen einzuwirke­n. Die HDP fordert von der PKK einen neuen Waffenstil­lstand und verlangt, auch die Armee solle das Feuer einstellen. Zudem gibt es Gerüchte über einen bevorstehe­nden Waffenstil­lstands-Aufruf des inhaftiert­en PKK-Chefs Abdullah Öcalan zum Weltfriede­nstag am 1. September.

Auch im Syrien-Konflikt muss die Übergangsr­egierung handeln. So beteiligt sich die Türkei seit dem Wochenende an den Luftangrif­fen der Anti-IS-Allianz auf Stellungen der Dschihadis­ten in Syrien. Die Türkei betrachte den Islamische­n Staat als Bedrohung für die nationale Sicherheit, ließ der neue Außenminis­ter Feridun Sinirliogl­u mitteilen.

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FOTO: DPA

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