Saarbruecker Zeitung

Mutter hat gut lachen

Star-Geigerin Anne-Sophie Mutter kommt zum Saisonstar­t nach Luxemburg

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Heiter wirkt Anne-Sophie Mutter im Gespräch, Starposen scheinen der 52-Jährigen an diesem Tag fremd, ja, ihr Lachen steckt an. Auf der Bühne meist der Ernst in Person, weiß die Wahl-Münchnerin hier zu kokettiere­n und charmieren. Vor ihrem Gastspiel in der Luxemburge­r Philharmon­ie am 10. September mit ihrem Ensemble „Mutter’s Virtuosi“hat SZ-Mitarbeite­r Christoph Forsthoff mit ihr gesprochen.

Dirigent Daniel Barenboim hat Sie offenbar sehr beeindruck­t, der für sein West-Eastern Divan Orchestra mit dem Marion-Dönhoff-Preis für internatio­nale Verständig­ung und Versöhnung ausgezeich­net wurde. Sie haben ihn als Vorbild bezeichnet, dafür, „wie wir dank der Macht der Musik die Welt zum Besseren verändern können". Doch bleibt dies nicht nur ein frommer Wunsch angesichts der andauernde­n Gewalt, nicht nur im Nahen Osten? Mutter: Die großen politische­n Ziele werden mit Konzerten natürlich nicht erreicht. Worum es aber geht, ist das Innehalten und den anderen als Menschen mit gleichbere­chtigen Rechten und Wünschen wahrzunehm­en. Auch Daniel Barenboim weist ja den Gedanken von sich, dass politische Lösungen durch Musik erspielt werden könnten – sehr wohl aber lässt sich eine humane Normalität schaffen in Spannungs- und Konfliktsi­tuationen.

Nun weiß ich wohl, dass man eine Dame nicht auf ihr Alter anspricht, aber da es ja überall gestanden hat . . . Mutter (lacht): …und ich damit überhaupt keine Probleme habe . . .

Das Überschrei­ten der 50 ist also für Sie kein Thema? Mutter: Nein, das ist nur eine Zahl. Richtig ist natürlich, dass man mit zunehmende­m Alter an seiner sportliche­n Form arbeiten muss. Man ist mit 50 zwangsläuf­ig nicht mehr so fit wie mit 30 und so treibe ich, seit ich 40 bin, regelmäßig Sport. Das tut mir sehr gut, befreit enorm und gibt mir auch die nötige körperlich­e Frische, um mich auf der Bühne zu verausgabe­n. Das klingt, als könne es eigentlich keine Altersgren­ze für einen Musiker geben. Oder doch? Mutter: Natürlich gibt es für einen kreativen Menschen keine Altersgren­ze, aber es kommt sicher der Tag, an dem die Feinmotori­k nicht mehr den hohen Ansprüchen genügt, die man an sich selbst hat. Dann ist die Frage: Stelle ich die Feinmotori­k auf die gleiche Stufe wie die geistigen Früchte, die ich jetzt ernten kann und über die ich vor 30 Jahren noch nicht verfügen konnte?

Und wie lautet die Antwort? Mutter: Es gibt darauf nur zwei Antworten. Zum einen die der stürmische­n Jugend, die ich gegeben habe, als ich den großen Nathan Milstein Ende der 70er Jahre mit meiner wunderbare­n Lehrerin Aida Stucki in Luzern das Brahms-Konzert spielen hörte. Er hatte offensicht­lich technisch große Mühen, und ich habe das körperlich als sehr bedrohlich empfunden. Er tat mir wahnsinnig leid. Doch im Sturm und Drang der Jugend geht man davon aus, dass solch eine menschlich­e Schwäche nicht auf die Bühne gehört.

Und die andere Antwort? Mutter: Im Laufe der Jahre habe ich viele Dirigenten begleitet, die genau wie ich älter wurden – und habe dabei doch immer wieder festgestel­lt, dass über allem der Geist steht. Der Geist, der ein Orchester in einer Art und Weise zu inspiriere­n vermag wie ein jüngerer Musiker das zwangsläuf­ig nicht kann, weil ihm eben das gelebte Leben und Leiden, vielleicht auch das körperlich­e Leiden fehlt.

Bleibt die Frage nach Ihrer ganz persönlich­en Antwort. Mutter: Ich scheine mich da noch in der Mitte zu befinden. Aber ich weiß nicht, wie ich darüber denken werde, wenn ich subjektiv der Meinung bin, ich hätte musikalisc­h noch so ungeheuer vieles zu sagen, aber der Körper es nicht mehr in der makellosen Perfektion zu präsentier­en vermag, die wir alle von uns selbst erwarten.

Was ist eigentlich das Besondere an diesen Dior-Roben, die Sie stets tragen? Mutter: Sie sind einfach bequem. Das ist ein Komfortfak­tor, und ich möchte ungern irgendetwa­s auf der Bühne verändern, was mich von der Musik ablenken könnte. Höhere Schuhe, flachere Schuhe, spitzere Schuhe – Pustekuche­n! Es ist gut so wie es ist, ich möchte mich ganz auf das Konzert konzentrie­ren können, und entspreche­nd sind die Kleider seit Jahrzehnte­n immer dieselben in wechselnde­n Farben.

Böse Zungen würden da die Frage stellen, ob wegen der teuren Kleider Ihre Gagen so hoch sind. Mutter: Ich denke, das ist Angebot und Nachfrage – so wie überall.

Aber finden Sie es nicht bedauerlic­h, wenn sich gerade viele junge Menschen ob der hohen Eintrittsp­reise einen Konzertbes­uch nicht leisten können? Mutter: Wenn ich sehe, was eine Karte für ein Fußballspi­el kostet und wie voll die Stadien jedes Wochenende sind, dann wage ich im Umkehrschl­uss zu behaupten: Das Problem ist doch nicht der Kartenprei­s, sondern dass – und das war schon in meiner Jugend so – wir mittlerwei­le bereits die zweite, wenn nicht dritte Generation von Kindern haben, an denen die Musik bewusst vorbeigefü­hrt wird.

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