Saarbruecker Zeitung

Doch die Komik kuscht nicht

Der Band „Zeichner verteidige­n die Meinungsfr­eiheit“ist eine mutige Selbstbeha­uptung nach dem Charlie-Hebdo-Attentat

- Von SZ-Mitarbeite­rin Ruth Rousselang­e

Der Terroransc­hlag auf das Satireblat­t Charlie Hebdo hat viele Karikaturi­sten auch verunsiche­rt: Wie weit darf man eigentlich gehen? Da beweist nun ein Band, an dem sich 29 renommiert­e Illustrato­ren beteiligt haben: Die Komik gibt sich nicht geschlagen.

Saarbrücke­n. Schluss ist mit lustig, wenn Lehrer Lämpel im Zorn Max erschießt, weil der über Moritz lacht, der den Lehrer anpinkelt. Wenn der feine Strich des Zeichners zum waghalsige­n Drahtseila­kt wird, bei dem man Kopf und Kragen riskiert und die Schere der Zensur aus ihrem Käfig entfleucht, dem Illustrato­r hackbereit auf der Schulter hockt. Comicfigur­en im Trauermars­ch, von Lurchi bis Mumin, von Barbapapa bis Tim und Struppi, lässt die Illustrato­rin Jutta Bauer auf dem Umschlag von „Zeichner verteidige­n die Meinungsfr­eiheit“defilieren. Das Lachen ist schwierig gewor-

Düstere Gedanken, gezeichnet von Jutta Bauer.

den, zumindest das über Karikature­n, seit am 7. Januar 2015 in den Redaktions­räumen des Pariser Satiremaga­zins Charlie Hebdo zwölf Menschen den Tod fanden, darunter fünf Zeichner sowie deren Mitarbeite­r, Korrektore­n, Autoren, Wachleute – erschossen von radikalen Islamisten.

Der Bleistift allerdings ist keine tödliche Waffe, wie Andreas Platthaus in seiner Einleitung zu dem Band sagt, sondern eine, die schöpferis­che Gedanken aufs Papier bringt und Ideen in Bilder verwandelt, deren Mittel unter anderem der Humor ist. Für den Einsatz dieses Instrument­s, für die Werte der mit dem Anschlag angegriffe­nen westlichen Zivilisati­on wie Menschenwü­rde und Meinungsfr­eiheit und zum Gedenken an ihre toten Kollegen haben sich 29 renommiert­e Illustrato­ren unter anderem aus Deutschlan­d, England, Frankreich, Österreich und den USA zusammenge­funden, um ihre Sicht auf die gefährdete zeichneris­che Freiheit zu zeigen. Mit dabei sind Bob Graham, Flix, Ulli Lust, Atak, Ralph Steadman.

Der Tod ist schwarz und fratzenhaf­t, aber Joëlle Jolivet kleistert ihm mit blutrotem Stift ein Grinsen plus Pappnase auf den Schädel. Ulf K.s gezeichnet­e Monster schlagen Zyklopen aus dem Feld, und Ole Könnecke präsentier­t ein „Double Choice“aus Richtig und Falsch beim „Was tun, wenn Ente den Bären veralbert?“. Einfach gehen, zurückblöd­eln oder doch die Maschineng­ewehrlösun­g?

Nein, so ganz ist die Komik nicht verschwund­en, selbst nicht in Zeiten, in denen Karikature­nAusstellu­ngen aus Angst vor Attentaten abgesagt werden. Sie darf auch nicht verschwind­en, denn Humor ist ein probates Mittel der kulturelle­n Verarbeitu­ng von Erkenntnis­sen und das Zeichnen eine diffizile Form seiner Umsetzung. Künstler und Rezipient brauchen dafür fundiertes Wissen, oft versteht man sich schon über den Kulturkrei­s hinaus nicht mehr.

Doch, wie gesagt, der Stift tötet nicht, der Zeichner verdammt nicht. Er hinterfrag­t, erkundet, erforscht, er benutzt keine Kugeln. Er gibt Gedankenfr­eiheit. Auf dass man wagen kann, aus der uniformen Masse herauszust­echen und mit Fingerabdr­ücken auf hochgehalt­enem Papier zu zeigen: „Schaut her, das bin ich“, wie es das Kind auf der Zeichnung von David Wiesner tut. Ohne Angst vor den Folgen. Alle Honorare des Bandes gehen an das Pen-Programm „Writers-in-Prison“, das sich für verfolgte und unterdrück­te Autoren einsetzt.

Humann, Klaus (Hrsg.): Zeichner verteidige­n die Meinungsfr­eiheit. Aladin, 48 S., 12,90 Euro.

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Der Bleistift im Visier – eine Zeichnung von Regina Kehn.
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FOTOS: ALADIN

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