Den Wissens- und Sprachschatz ausgebaut
Forschungsprojekt untermauert erneut: Wer regelmäßig Zeitung liest, hat eine höhere Allgemeinbildung
Sie wissen mehr, können besser mitreden, haben den größeren Überblick: Diese Vorteile haben Auszubildende, die regelmäßig Zeitung lesen. Das hat das jüngste Forschungsprojekt der Universität Koblenz-Landau unter dem Motto „Zeitung lesen macht Azubis fit“gezeigt. Saarbrücken. „Wissen ist eine zentrale Ressource – nicht nur, um das eigene Leben erfolgreich zu gestalten und die richtigen Entscheidungen zu treffen, sondern auch, wenn es darum geht, sich in der Gesellschaft zurechtzufinden.“Das schreiben die Professoren Michaela und Jürgen Maier von der Universität Koblenz-Landau im aktuellen Abschlussbericht des Langzeit-Leseprojektes „Zeitung lesen macht Azubis fit“, kurz ZeiLe genannt. In diesem Bericht heißt es im Kapitel „Wissen und die Rolle der Medien“weiter: „So ist es beispielsweise für Bürger, die in Demokratien leben unabdingbar, über ein gewisses Maß an Kenntnissen über das politische System und die handelnden Akteure zu verfügen. Ebenso sollten Bürger Wissen über zentrale welt- und wirtschaftspolitische Zusammenhänge aufweisen und sich aktuell bedeutender sozialer Probleme bewusst sein.“
Über all diese Themen berichten die Tageszeitungen in Deutschland. Bedeutet dies auch, dass diejenigen, die regelmäßig Zeitung lesen, besser Bescheid wissen, ihr Allgemeinwissen erhöhen und stärker mitreden können? Eindeutig Ja sagen die Forscher. Denn dieser Frage gehen sie an der Universität Koblenz-Landau seit 2009 in dem ZeiLe-Projekt bei Auszubildenden nach. Seit mittlerweile sechs Ausbildungsjahren.
Die zentralen Ergebnisse dieser Jahre fassen die Wissen- Michelle, Morgan und Leon, v.li., haben Spaß bei der Lektüre dieser SZ-Ausgabe.
schaftler so zusammen: „Die regelmäßige Lektüre einer Tageszeitung erhöht das Allgemeinwissen – und zwar in allen Wissensbereichen. Die Medienbindung, insbesondere an die Tageszeitung, wächst. Die Häufigkeit der Rezeption politischer Medieninhalte wächst. Das Interesse und Verständnis für politische Prozesse wachsen. Die Lesemotivation der Projektteilnehmer ist am Ende des Projek-
tes größer als in der Kontrollgruppe. Im Bereich der Sprachkompetenz können insbesondere benachteiligte Gruppen profitieren: Hauptschüler und Migranten können ihren Wortschatz überdurchschnittlich verbessern.“
Im aktuellen Projektjahr haben sich in Rheinland-Pfalz und dem Saarland 1435 Auszubildende aus 249 Unternehmen beteiligt. Mit eingerechnet sind dabei 194 Azubis einer Kontrollgruppe. Aus dem Saarland waren es 66 Teilnehmer aus 19 Betrieben. Zu Beginn mussten die Azubis einen umfangreichen Wissenstest absolvieren. Dieser umfasste Fragen aus acht Wissensgebieten, von Politik über Wirtschaft bis zu Kunst und Kultur. Nach zehn Monaten gab es dann unangekündigt einen weiteren Allgemeinwissenstest. In der Zwischenzeit stand für die Experimentalgruppe von 1241 Azubis die Zeitungslektüre an. Sie bekamen täglich eine regionale Tageszeitung. Fünf Tageszeitungen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland machen bei ZeiLe mit. Zudem gab es für diese Gruppe alle drei Wochen ein Quiz zu aktuellen Themen, insgesamt waren dies zwölf.
Das Ergebnis des Ausbildungsjahres 2014/2015: Die Zeitung lesenden Azubis beantworteten beim ersten Kompetenztest 61,9 Prozent der Fragen richtig, beim zweiten 72,2 Prozent. Der Wissenszuwachs beträgt somit 10,4 Prozentpunkte (gerundet) und liegt damit höher als im vergangenen Projektjahr mit 9,0 Prozentpunkten.
Die Kontrollgruppe der nicht Zeitung lesenden Azubis bewältigte den ersten Allgemeinwissenstest mit 46,7 Prozent richtigen Antworten und den zweiten mit 53,6 Prozent. Der Wissenszuwachs liegt hier bei 6,8 Prozentpunkten (gerundet). Somit ist der Wissenszuwachs der Zeitung lesenden Azubis 1,5 Mal höher.
Die Wissenschaftler der Uni kommentieren dies so: „Die Differenz des Wissenszuwachses der Experimentalgruppe zur Kontrollgruppe ist signifikant.“
Das weitere Fazit des aktuellen Forschungsjahres: „Insgesamt können Teilnehmer mit Abitur und Mittlerer Reife, Teilnehmer mit Migrationshintergrund und weibliche Auszubildende ihr Wissen besonders stark steigern. Überdurchschnittlich ist auch der Wissenszuwachs in den Berufsschulklassen.“Damit aber nicht genug: „Ferner lässt sich festhalten, dass die Auszubildenden im Verlauf des Projektes zunehmend in der Lage sind, komplexe Sachverhalte in komprimierter Form – mit immer weniger Rechtschreibfehlern – auf den Punkt zu bringen.“
Die Ergebnisse decken sich mit denen der fünf vorherigen Projektjahre. Im Abschlussbericht heißt es: „In den vergangenen Jahren zeigte sich, dass die Auszubildenden im Laufe eines Jahres durch die regelmäßige Zeitungslektüre ein erhebliches Maß an Allgemeinwissen erwerben können.“Und weiter: „Dass der Wissensanstieg kausal auf die kontinuierliche Beschäftigung mit tagesaktuellen Themen zurückgeführt werden kann, konnte in bisher allen Projektdurchläufen durch den Vergleich mittels einer Kon- trollgruppe belegt werden.“
Den Nutzen des Projektes für die Gesellschaft beurteilen die Forscher der Uni Landau so: „Auszubildende, die über das Tagesgeschehen informiert sind, die sich für die Region, in der sie leben, interessieren und gleichzeitig über mehr Allgemeinwissen verfügen, sind nicht nur für die ausbildenden Unternehmen wertvolle Mitarbeiter. Sie können sich auch ihrer Verantwortung als mündige, informierte Bürger stellen und aktiver am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Und nicht zuletzt verbessern eine höhere Allgemeinbildung und Lesekompetenz die individuellen Zukunftschancen eines jeden Teilnehmers.“