Verblasste Relikte der Nazi-Zeit
Luftschutzpfeile in Saarbrücken: eine Bestandsaufnahme
Wind und Wetter ließen sie verblassen. Umso schwerer tun sich junge Leute damit. Aber ihre Großeltern und Urgroßeltern wissen noch sehr gut, wohin diese Pfeile den Weg wiesen: in Saarbrücker Luftschutzkeller.
Saarbrücken. Jeder neu entdeckte weiße Pfeil, ob noch frisch wirkend oder verblasst, gibt einen Kick weiterzusuchen. Was sind das für Pfeile, die zu Kellerfenstern weisen? Warum sind an den Fassaden gründerzeitlicher Häuser der Rosen- oder Lessingstraße so viele, nicht aber im gleich alten Nauwieser Viertel? Warum gibt es sie in Brebach, nicht aber in Burbach? In den Saarbrücker Straßen sind noch fast 60 Hinweise auf Luftschutzkeller.
Bereits in den 1930er-Jahren war der Luftschutz für die Deutschen ein Thema. Am 26. Juni 1935 wurde das Luftschutzgesetz verabschiedet. Seit 1937 waren für Neubauten „gas-, trümmer- und splittersichere Luftschutzräume“vorgeschrieben. Auch im Saarland.
Wegweiser zu Verschütteten Bei Altbauten waren behelfsmäßige Luftschutzräume einzurichten. Sie mussten an der Fassade mit weißen Pfeilen gekennzeichnet werden. So sollten Rettungskräfte schneller Verschüttete finden. Es fällt schwer, sich 70 Jahre nach Kriegsende die damalige Situation vorzustellen. Zwar vermittelten sie Hoffnung auf Schutz, erinnerten aber täglich an die Bedrohung. In Saarbrücken gab es von 1939 bis 1945 insgesamt 30 Bombenangriffe der Alliierten. Der erste war in der Nacht zum 30. Juli 1942. Danach wurde die Stadt zwischen Hauptbahnhof und Johanneskirche sowie Alt-Saarbrücken durch Bombenangriffe der britischen und amerikanischen Luftstreitkräfte nahezu zerstört. Der schwerste Angriff war in der Nacht zum 6. Oktober 1944. Damals starben 361 Menschen, 45 000 wurden obdachlos.
Luftschutzpfeile scheint es – bis auf zwei Ausnahmen – nur noch in Brebach, an der Johanneskirche sowie im Ostviertel zu geben, also im gründerzeitlichen Quartier zwischen Landwehrplatz, Großherzog-Friedrich-, Heinrich-Böcking- und Mainzer Straße. Es gibt sie weder in der City noch im Mühlenviertel oder am St. Johanner Markt. Auch nicht auf dem Rodenhof, in Burbach, auf dem Rastpfuhl oder in Fechingen. In Alt-Saarbrücken und St. Arnual sucht man ebenso vergeblich nach ihnen, obwohl es sie mit ziemlicher Sicherheit dort gab: Entweder wurden die Häuser zerstört oder die Fassaden erneuert und die Relikte der Nazizeit beseitigt. Dies gilt vor allem für den Triller, den Rotenbühl und den Homburg, wo sich keine Pfeile finden, obwohl es dort keine öffentlichen Bunker gab. Oder hat man dort diese Kriegsvorbereitung boykottiert?
Der Bau von rund 70 Hochbunkern oder Kellern im Felsgestein scheint die Bewohner Malstatts, Burbachs und des Wackenberges sowie weiter Teile des Nauwieser Viertels, der Umgebung der Talstraße, der Feldmannstraße, der Julius-Kiefer-, der Metzer Straße oder der Brebacher Landstraße von der Pflicht befreit zu haben, private Luftschutzkeller einzurichten. Ob die Westwallbunker zwischen der Hohen Wacht und der Bellevue öffentlich waren, wäre noch zu recherchieren. Jedenfalls gibt es dort Luftschutzkeller, aber keine Pfeile.
Mit acht Pfeilen an architektonisch aufwendigen Gründerzeit-Mietshäusern weist die Großherzog-Friedrich-Straße die meisten Luftschutzspuren