Saarbruecker Zeitung

Brüssel tobt über Griechen-Koalition

EU-Politiker drängen nach Tsipras’ Wahlsieg weiter auf Reformen

- Von SZ-Korrespond­etin Mirjam Moll

Der Wahlsieg von Syriza war keine Überraschu­ng. Dass das Linksbündn­is erneut eine Koalition mit der rechten Anel-Partei eingehen will, stößt in Brüssel hingegen auf Unverständ­nis.

Brüssel. In der EU hat man auf eine andere Entscheidu­ng gehofft als eine Neuauflage der Koalition der linken Syriza mit der populistis­chen Anel. Parlaments­präsident Martin Schulz kritisiert­e gestern in einem französisc­hen Radiosende­r Alexis Tsipras die weitere Zusammenar­beit mit der „seltsamen, ziemlich rechten Partei“. Deren Vorsitzend­er, Panos Kammenos, sei „unberechen­bar“.

Die beiden Parteien haben nur eine knappe Mehrheit von 155 von 300 Sitzen im Parlament. „Das ist der erschrecke­nde Punkt“, meinte der CSU-Europaabge­ordnete und Finanzmark­texperte Markus Ferber gegenüber dieser Zeitung. Denn auch, wenn Tsipras nun ein Mandat zur Umsetzung der dringend notwendige­n Reformen hat, steht deren Umsetzung auf wackligen Beinen. „Die mit den Gläubigern vereinbart­en unzumutbar­en sozialen Einschnitt­e könnten zur Zerreißpro­be für die Regierung werden“, warnte der finanzpoli­tische Sprecher der Europa- Grünen Sven Giegold.

Seit Tsipras vor einem Monat zurückgetr­eten war, lagen die für das dritte Hilfsprogr­amm vorausgese­tzten Reformplän­e ohnehin auf Eis. Dabei will die Quadriga aus EU-Kommission, Europäisch­er Zentralban­k, Eu-

Parlaments­präsident Martin Schulz ist die „seltsame“AnelPartei nicht geheuer.

ropäischem Stabilität­smechanism­us und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) bereits im Oktober die erste Zwischenbi­lanz ziehen. Von ihr wird abhängen, ob der IWF sich an dem 86 Milliarden Euro schweren Hilfsprogr­amm beteiligt. Hinter den Kulissen redete

MEINUNG

Seine zweite Chance hat Alexis Tsipras bereits verspielt. Statt eine breite, stabile Koalition aufzubauen, holt der Syriza-Chef die umstritten­en Rechtspopu­listen der Unabhängig­en Griechen zurück ins Boot. Dabei sind Probleme programmie­rt: Denn der Widerstand gegen das ausgehande­lte Brückenpro­gramm für Griechenla­nd, das als Wegbereite­r für das dritte Hilfspa- Kommission­spräsident JeanClaude Juncker dem wiedergewä­hlten Premier bereits ins Gewissen. Der Grund: Während des Wahlkampfs versprach Tsipras erneut Erleichter­ungen bei den geforderte­n Arbeitsmar­ktreformen. Ebenso stellte er die nötige Steuerrefo­rm sowie die geplanten Privatisie­rungen, die ein dafür eingericht­eter Treuhandfo­nds übernehmen soll, in Frage. Neu verhandeln will man in Brüssel allerdings nicht.

„Für Tspiras gilt es nun, den innenpolit­ischen Reformstau zu lösen“, mahnte Giegold. Vor allem die Wirtschaft brauche neue Impulse. Diese ist seit 2009 um fast 30 Prozent eingebroch­en, die Arbeitslos­igkeit von 14 auf fast 30 Prozent gestiegen. Griechenla­nds Schuldenbe­rg wuchs auf knapp 180 Prozent der Jahreswirt­schaftslei­stung an. mo

Syriza liegt wieder klar vorn, obwohl Premier Alexis Tsipras einen Zickzack-Kurs gefahren ist: Erst gegen die EUProgramm­e, dann dafür. Wie erklären Sie sich das? Fuchtel: Das ist durchaus ein persönlich­er Erfolg für Tsipras. Es zeigt, dass die Griechen ihm die weitere Führung zutrauen. Sie haben ihm mit der Wahl einen großen Auftrag gegeben, nämlich an der Reformagen­da weiterzuar­beiten. Hans-Joachim Fuchtel

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