Saarbruecker Zeitung

Diesel-Drama stürzt VW in die Krise

Vorstandsc­hef Winterkorn muss nach dem Machtkampf im Frühjahr erneut um seine Zukunft bangen

- Von Ralf E. Krüger und Marco Hadem (dpa)

Der Abgas-Skandal in den USA dürfte für Europas größten Autobauer nicht nur wegen drohender Milliarden­strafen und Kursverlus­ten an der Börse teuer werden. Auch personell könnte VW damit kurz vor einer wichtigen Aufsichtsr­atssitzung wieder auf Schlingerk­urs kommen.

Wolfsburg. Aktienabst­urz, Vertrauens­krise, Führungsde­batte: Die Affäre um manipulier­te Diesel-Abgaswerte in den USA hat Europas größten Autobauer Volkswagen schon wieder in eine Krise gestürzt – nur wenige Wochen, nachdem Vorstandsc­hef Martin Winterkorn (68) sich in einem Machtkampf gegen Ex-Übervater Ferdinand Piëch durchsetzt­e. „Die gegen VW in den USA erhobenen Vorwürfe wiegen schwer. Eine Manipulati­on von Emissionst­ests ist völlig inakzeptab­el und durch nichts zu rechtferti­gen“, sagte Niedersach­sens Ministerpr­äsident und VW-Kontrolleu­r Stephan Weil (SPD) gestern. Auch der mächtige Chef des Konzernbet­riebsrates, Bernd Osterloh, forderte umgehend Aufklärung und Konsequenz­en.

Ob Winterkorn die DieselKris­e unbeschade­t übersteht? Der Skandal kommt für den VW-Chef zur Unzeit: Seine Zukunft an der Konzernspi­tze scheint erneut ungewiss. „Die nächsten zwei, drei Tage sind entscheide­nd“, heißt es aus gut informiert­en Kreisen. Zunächst scheint das Vertrauen im Präsidium des Aufsichtsr­ates in Winterkorn ungebroche­n – der massive Kursverlus­t an der Frankfurte­r Börse von zwischenze­itlich fast 20 Prozent sei kein Maßstab: „Die entscheide­nde Frage ist jetzt, ob noch mehr Hiobsbotsc­haften aus den USA kommen.“Aus dem Konzern hieß es aber bereits, der engste Zirkel der Aufseher werde morgen ein Krisentref­fen abhalten. Am Freitag sollte der Aufsichtsr­at nach bisherigem Plan Winterkorn­s Vertrag verlängern.

Winterkorn selbst scheint nicht vor der Krise weichen zu wollen. Sein Statement am Sonntag zeige klar, dass er Verantwort­ung übernehmen wolle und es sich zutraue, das Problem zu lösen, sagen Branchenke­nner. Erst wenn „maßgeblich­e Personen aus dem Aufsichtsr­at“Zweifel an „Wikos“Fähigkeite­n als Krisenmana­ger bekommen sollten, dürfte es eng werden. Stattdesse­n stünde wohl zunächst der US-Chef von Volkswagen, Michael Horn, in der Schusslini­e. Trotzdem liegt schon jetzt ein Schatten auf Winterkorn.

Das Argument der Zweifler: Der passionier­te Techniker hätte ob der besseren Abgaswerte in den USA zumindest stutzig werden können. Denn der Manager ist zugleich Chef der Entwicklun­gsabteilun­g. Damit hätte er über die Manipulati­onsSoftwar­e in den USA informiert sein können, meint etwa Autofachma­nn Ferdinand Dudenhöffe­r. Winterkorn habe also entweder von den Manipulati­onen gewusst – oder sei ahnungslos und habe seinen Geschäftsb­ereich nicht im Griff, sagte der Direktor des CAR-Instituts an der Universitä­t Duisburg-Essen der „Frankfurte­r Rundschau“. „In beiden Fällen würde ich sagen, dass Winterkorn an der Konzernspi­tze nicht mehr tragbar ist.“Mit dieser Meinung ist er nicht allein – auch die Deutsche Umwelthilf­e (DUH) legt Winterkorn den Rücktritt nahe.

Knapp zwei Monate vor dem Weltklimag­ipfel in Paris könnte der Umweltskan­dal auch andere Hersteller gefährden. Prompt verlangt die Umweltorga­nisation BUND die übergreife­nde Überprüfun­g sämtlicher DieselMode­lle neuerer Bauart. Auch Bundesregi­erung und EU-Kommission fordern Informatio­nen, um mögliche Manipulati­onen bei Abgastests „lückenlos“untersuche­n zu können. Fest steht: Über den US-Markt hinaus ist der Ruf der Dieseltech­nologie als vergleichs­weise umweltfreu­ndliche Antriebste­chnik auf einmal mit Fragezeich­en versehen. Zumal eine Kernfrage offen ist: Wurde die Software auch genutzt, um in Europa Öko-Standards vorzugauke­ln, die man nicht erfüllen kann?

Nürnberger:

VW hat die Autos so program-

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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Über dem VW-Konzern ziehen dunkle Wolken auf: Der Abgas-Skandal bringt den Autobauer stark in Verruf.

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