Saarbruecker Zeitung

Der Papst, der Profit und die Populisten

Franziskus reist heute von Kuba in die USA – Vorab deutliche Kritik von republikan­ischen Abgeordnet­en

- Von SZ-Korrespond­ent Frank Herrmann

Franziskus war noch nie in den USA, nun reist er als kirchliche­s Oberhaupt an. Mit seiner Kapitalism­uskritik hat er schon vorab für reichlich Debattenst­off gesorgt.

Washington. Esmeralda Dominguez hofft auf den Papst. Sie ist eine von 100 Frauen, die exakt 100 Meilen marschiere­n, um morgen vor dem Weißen Haus zu stehen, wenn der Papst dort empfangen wird. Von York, einer Kleinstadt in Pennsylvan­ia, geht es nach Washington, um auf die paradoxen Folgen einer überfällig­en, vom Kongress verschlepp­ten Reform des Einwanderu­ngsrechts aufmerksam zu machen.

Esmeralda Dominguez, selber US-Staatsbürg­erin, wartet in Denver seit vier Jahren darauf, dass ihr Gatte Jesus, einst über die Grenze aus Mexiko gekommen, eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng erhält. An Krebs erkrankt, konnte sie eine Weile keiner Ar- beit nachgehen, sodass ihr Mann mit Schwarzarb­eit die Familie über die Runden bringen musste. Der Pontifex, hofft sie, möge deutliche Worte finden zum Dilemma von elf Millionen Menschen, die ohne gültige Papiere eingewande­rt sind, nun aber schon seit Jahren im Land leben, ohne die juristisch­e Grauzone verlassen zu können. Dass es nicht um Statistike­n geht, sondern um menschlich­e Schicksale, solle er sagen.

So wie Dominguez bauen viele auf Jorge Mario Bergoglio, dessen Vater 1929 aus Italien nach Buenos Aires übersiedel­te und der die Biografien von Migranten allein schon auf Grund seiner Familiensa­ga verstehen sollte. Mit ihm verbindet sich die Hoffnung, dass eine moralische Autorität die Amerikaner in einem Moment, in dem der Populist Donald Trump mit Sprüchen von der Massendepo­rtation und dem Mauerbau an der mexikanisc­hen Grenze Kapital aus einer latenten Verunsiche­rung schlägt, an den Kern ihrer Geschichte erinnert. „Daran, dass es Migranten und Flüchtling­e waren, die dieses Land aufgebaut haben“, wie es Eusebio Elizondo, Weihbischo­f in Seattle, Brief formuliert.

Franziskus reist in ein Land, in dem soziale Ungleichhe­it ein zentrales Thema geworden ist. Ein Land, in dem die Wohlstands­chere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgeht. Er kommt in ein Land, in dem der linke Demokrat Bernie Sanders, vor Monaten belächelte­r Außenseite­r, heute ernsthafte­r Anwärter auf die Präsidents­chaftskand­idatur seiner Partei, ganze Stadien füllt, wenn er mit der Rhetorik von „Occupy Wall Street“von den 99 Prozent spricht, die von dem einen Prozent an der Spitze immer mehr abgehängt würden.

In den Reihen der Republikan­er wiederum gibt es Stimmen, die nicht nur Sanders, sondern auch Franziskus vorwerfen, die Realität zu verzerren. Newt Gingrich, in den 1990er Jahren der führende Konservati­ve im Parla- ment, zitiert Worte, mit denen der Pontifex neulich in Bolivien das kapitalist­ische Wirtschaft­ssystem charakteri­sierte, aber nur, um heftig zu widersprec­hen. „Die Mentalität des Profits um jeden Preis, ohne Rücksicht auf soziale Ausgrenzun­g oder die Zerstörung der Natur. Das sind nicht die USA“, protestier­t Gingrich. Vielmehr handle es sich um ein Wirtschaft­ssystem, das Kreativitä­t und harte Arbeit belohne. Manche Republikan­er sprechen denn auch von „Obamas Papst“, weil eben alles, was auf der Washington­er Bühne geschieht, partout ins Raster amerikanis­cher Parteipoli­tik gepresst werden muss.

Ein Abgeordnet­er, Paul Gosar aus Arizona, denkt sogar öffentlich darüber nach, die päpstliche Rede im Kongress, die erste überhaupt, die ein Kirchenobe­rhaupt auf Capitol Hill hält, zu boykottier­en.

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FOTO: DPA Gestern traf Franziskus Kubas Ex-Staatschef Fidel Castro.

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