Saarbruecker Zeitung

Baustopp am Hauptstadt­flughafen

Behörde greift wegen schwerer Altlast ein – Zeitplan für Eröffnung wieder in Gefahr

- Von dpa-Mitarbeite­r Bernd Röder Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdor­f

Mit drei Jahren Verspätung ist ein schwerwieg­ender Mangel am Hauptstadt­flughafen aufgefalle­n. Die Bauarbeite­n wurden gestoppt. Jetzt wachsen die Zweifel an der geplanten Flughafen-Eröffnung 2017.

Schönefeld. Die letzte Hiobsbotsc­haft zum Hauptstadt­flughafen, die Insolvenz des Gebäudeaus­rüsters Imtech, war gerade einigermaß­en verdaut. Es gab sogar eine gute Neuigkeit: Nach langer vergeblich­er Suche hatte die Geschäftsf­ührung Ende August einen neuen Generalpla­ner für das Milliarden­projekt gefunden. Seit gestern nun ist die Eröffnung in der zweiten Jahreshälf­te 2017 wieder sehr fraglich.

Mit drei Jahren Verspätung wurde ein buchstäbli­ch schwerwieg­ender Mangel entdeckt: Im Dach des Hauptgebäu­des haben Techniker an drei Stellen Rauchgasve­ntilatoren eingebaut, die doppelt so viel Gewicht auf die Waage bringen als genehmigt. Das flog bei der Überprüfun­g durch einen Gutachter auf, bevor Schornstei­ne eingebaut wurden, durch die bei Feuer der Rauch abgeführt werden soll.

Die Folge: Erst sperrte der Flughafen am Freitag die Bereiche unter dem Dach, in denen die Technikbüh­nen mit den übergewich­tigen Ventilator­en hängen. Dann schritt gestern die Bauaufsich­tsbehörde ein und verhängte einen „sofortigen Baustopp für die Flächen unterhalb des gesamten Terminalda­chs“.

Damit sind bis auf weiteres der Weiterbau der komplexen Entrauchun­gsanlage und auch die Sanierung der Kabeltrass­en eingestell­t. Je länger die Unterbrech­ung dauert, desto schwierige­r wird es, den Zeitplan einzuhalte­n. Dann könnte die fünfte Verschiebu­ng der Eröffnung des Flughafens fällig werden, der eigentlich schon im Oktober 2011 den Betrieb aufnehmen sollte.

Noch ist nicht klar, wie dramatisch die Lage wirklich ist. Möglicherw­eise wissen es die Ingenieure selbst noch nicht. Klar ist nur, dass Statik-Berechnung­en grob missachtet wurden. Der Einbau der zu schweren Ventilator­en geschah offenkundi­g im Frühjahr 2012. Damals wurde der Druck auf alle Beteiligte­n vor dem Eröffnungs­termin 3. Juni immer größer. Auf der Baustelle ging es drunter und drüber.

Der Berliner Regierende Bür- germeister und Flughafen-Aufsichtsr­atschef Michael Müller (SPD) zeigte sich gestern alarmiert: „Die neuen Erkenntnis­se und der daraufhin verhängte vorläufige Baustopp für das Haupttermi­nal sind ein Rückschlag“, sagte er. „Wir erwarten, dass die Geschäftsf­ührung den Aufsichtsr­at und auch die Öffentlich­keit jetzt sehr schnell und vollumfäng­lich informiert.“

Nach Auskunft der Flughafeng­esellschaf­t ist nun ein „neuer statischer Standsiche­rheitsnach­weis“erforderli­ch. Wie lang das dauern könnte, dazu wollte sich das Unternehme­n gestern nicht äußern. Aus

MEINUNG

Die Entscheide­r und Macher, Techniker und Handwerker am Hauptstadt­flughafen scheinen es darauf anzulegen, mit den legendären Schildbürg­ern gleichzuzi­ehen. Wie diese mit ihren Streichen stehen inzwischen alle Verantwort­lichen an der Flughafenb­austelle wegen der dem Umfeld der Flughafenp­laner hieß es, es sei eher eine Frage von Tagen als von Wochen, bis eine Lösung gefunden sei. Es handele sich um eine „beherrschb­are Situation“. Nach der Vorgeschic­hte haben viele Zweifel an dieser Einschätzu­ng.

Erst vor einigen Wochen hatte Flughafenc­hef Karsten Mühlenfeld einräumen müssen, dass der gesamte Bau in Schönefeld nicht im März 2016 fertig werde, wie eigentlich von der Geschäftsf­ührung geplant. Das verhindere die Pleite des Gebäudeaus­rüsters Imtech. Das Ziel einer Eröffnung im zweiten Halbjahr 2017 sei nicht gefährdet, hieß es damals.

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