Propaganda im Rathaus?
Netzwerk Attac wirft Stadt vor, Stimmung fürs Freihandelsabkommen TTIP zu machen
TTIP – für die einen steht diese Abkürzung unter anderem dafür, dass bald auch amerikanische Chlorhähnchen in Europa verkauft werden. Für andere ist das TTIP-Abkommen zwischen Europa und den USA ein Garant für neue Jobs. Darüber zu diskutieren, scheint nicht einfach zu sein, wie eine Veranstaltung am Donnerstag im Rathaus zeigt.
Saarbrücken. Die Europäische Union verhandelt etwas mit der amerikanischen Regierung – klingt weit weg vom Saarbrücker Alltag. Ist es aber nicht, denn je nachdem, was die da verhandeln, könnten unsere kommunalen Umweltschutzbestimmungen ausgehöhlt werden, unsere Wasserversorgung könnte privatisiert werden, die Unterstützung der Kultur könnte der Vergangenheit angehören. Darauf hat der Saarbrücker Stadtrat vor knapp einem Jahr hingewiesen. Mit einer Resolution stellte sich die Ratsmehrheit ganz klar gegen TTIP.
Ausgerechnet Saarbrücken mache aber nun „Propaganda“für TTIP, wirft das globalisierungskritische Netzwerk Attac der Stadt vor. Grund für den Vorwurf ist eine aus Sicht von Attac „einseitig besetzte Veranstaltung“am kommenden Donnerstag, 24. September, 18 Uhr, im Rathaus-Festsaal.
Ein „wesentlicher Kritikpunkt“von Attac ist, „dass sich mit Bernd Lange ( Vorsitzender des Ausschusses für Handel im Europaparlament), Lutz Güllner (EU-Kommission) und Stefan Koppelberg (EU-Regionalvertretung Bonn) gleich drei hauptamtliche TTIP-Befürworter inhaltlich ausbreiten dürfen“, während Vertreter von TTIP-kritischen Organisationen „nur Kurzstatements abgeben dürfen“. Das geschehe „bedauerlicherweise nur in Saarbrücken so“, sagt Attac. In anderen Städten dürfen „Kritiker auf Augenhöhe“mitdiskutieren. „Es kann nicht sein, dass die Landeshauptstadt für die Bewerbung dieser PropagandaVeranstaltung noch die Portokosten übernommen hat“, sagt Marie-Louise Innocent von Attac. Die Veranstaltung sei „eine einzige Provokation“.
Bei der Veranstaltung reden allerdings keine drei, sondern nur zwei EU-Vertreter: Lutz Güllner oder Stefan Koppelberg von der Kommission und der Europaabgeordnete Lange über eine Videozuschaltung – jeweils 15 Minuten lang. Danach haben – bevor die Diskussion beginnt – Vertreter der Arbeitskammer, des Gewerkschaftsbunds, der Industrieund Handelskammer, des Netzwerks Entwicklungspolitik, der Verbraucherzentrale, der saarländischen Gesellschaft für Kulturpolitik und der lothringischen Wirtschaftsförderge-
MEINUNG
Gut, wenn man bei den Guten ist. Dann ist die Welt verhältnismäßig einfach, denn die anderen sind die Bösen und man selbst hat immer recht. Warum also diejenigen, die selbst nicht so engagiert und informiert sind, den Bösen aussetzen? Die Bösen informieren ja nicht, die machen Propaganda. Genau das wirft Attac denen vor, die ihre Sicht der Dinge zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA (TTIP) darlegen wollen – und der Stadtverwaltung, die sellschaft Moselle Est das Wort. „Aus unserer Sicht ist die Veranstaltung ausgewogen besetzt“, sagt Stadtpressesprecher Thomas Blug. Zumal Bürgermeister Ralf Latz bei der Eröffnung „auf die kritischen Punkte und Forderungen zu TTIP“aus Sicht der Stadt eingehen werde – eben auf jene Dinge, auf die der Stadtrat im Oktober 2014 hingewiesen hat.