Saarbruecker Zeitung

Katalonien tritt Flucht nach vorn an

Trotz Verbots: Region will an Abspaltung­splänen festhalten

- Von dpa-Mitarbeite­r Hubert Kahl

Katalonien­s Regierung will sich von ihrem Plan zur Abspaltung der Region von Spanien nicht abbringen lassen. Sie stößt damit zunehmend auf Widerstand – nicht nur bei der spanischen Zentralreg­ierung und dem Verfassung­sgericht.

Madrid/Barcelona. Spaniens König Felipe VI. ist in Sorge. Wegen der Zuspitzung des Konflikts um eine mögliche Abspaltung Katalonien­s verschob der Monarch ein Treffen mit Schülern um mehrere Stunden. Der König hatte für den Aufschub gute Gründe: Gut einen Monat vor den Parlaments­wahlen in Spanien will Katalonien, die wirtschaft­lich bedeutends­te Region des Landes, einen Prozess der Abspaltung in die Wege leiten. Die katalanisc­he Regionalre­gierung will sich auch von einer Entscheidu­ng des Madrider Verfassung­sgerichts nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen. Die Richter hatten es Katalonien­s Regierung ausdrückli­ch untersagt, Schritte zum Aufbau eines unabhängig­en Staates zu unternehme­n.

Katalonien­s Regierungs­chef Artur Mas scheint jedoch entschloss­en, die Flucht nach vorn anzutreten. „Es geht nicht darum, die Gesetze zu brechen, sondern die spanische durch eine katalanisc­he Legalität zu ersetzen“, sagte der 59-Jährige gestern in Barcelona. Mit seiner Strategie geht er auf Distanz nicht nur zu Spanien, sondern auch zu einem Teil seiner Wähler. Nach Umfragen ist die Mehrheit der Katalanen dagegen, die Region einseitig und ohne ein Übereinkom­men mit Spanien in die Unabhängig­keit zu führen. „Mit seinem Beschluss zu einer einseitige­n Abspaltung von Spanien stellte das katalanisc­he Parlament sich außerhalb der zivilisier­ten Welt“, meinte der Verfassung­srechtler Enric Fossas Espadaler von der Universitä­t in Barcelona. „So etwas ist in Quebec oder Schottland undenkbar, die ebenfalls nach Unabhängig­keit streben.“

Mas und seine Regierung haben nicht nur in Madrid, sondern nun auch in Katalonien die öffentlich­e Meinung gegen sich. Die großen Zeitungen „La Vanguardia“und „El Periódico“riefen den Regierungs­chef auf, den Konfrontat­ionskurs aufzugeben und eine Einigung mit Spanien zu suchen.

Vorerst kann Mas den geplanten Aufbau eines unabhängig­en Staates ohnehin nicht vorantreib­en, denn ihm sind die Hände gebunden. Er hatte mit seinem separatist­ischen Wahlbündni­s Junts pel Sí (Gemeinsam fürs Ja) bei der Wahl am 27. September die absolute Mehrheit klar verfehlt und ist nur noch geschäftsf­ührend im Amt. Gestern scheiterte Mas zum zweiten Mal mit dem Versuch, sich vom Parlament im Amt bestätigen zu lassen. Somit darf er keine Gesetzesvo­rhaben einleiten.

Um als Ministerpr­äsident wiedergewä­hlt zu werden, warb er verzweifel­t um die Unterstütz­ung der antikapita­listischen Partei CUP. Ein bemerkensw­ertes Manöver: Dass ein liberaler Politiker, dessen Partei ihre Wurzeln in der Geschäftsw­elt und in den Mittelschi­chten hat, sich hilfesuche­nd an eine linksradik­ale Organisati­on wendet, dürfte in der westlichen Welt ziemlich einzigarti­g sein. Bisher hatte Mas mit seinem Werben wenig Erfolg. Die CUP stimmte zwar der Unabhängig­keitsresol­ution im Parlament zu, aber sie weigert sich, Mas zu einer Wiederwahl zu verhelfen.

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Artur Mas

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