Saarbruecker Zeitung

Mindestens 28 Tote bei Anschlag auf Armee in Ankara

Mindestens 28 Tote bei Anschlag auf Armeeviert­el in Ankara – Kurdischer Hintergrun­d der Tat wird vermutet

- Bericht afp/dpa

Ankara. Bei einem Autobomben­Anschlag im Armeeviert­el in der türkischen Hauptstadt Ankara sind gestern nach Behördenan­gaben mindestens 28 Menschen getötet und etwa 60 Menschen verletzt worden. Das geplante EUTreffen mit der Türkei zur Flüchtling­skrise wurde abgesagt.

Der Anschlagso­rt lag nahe dem Sitz des türkischen Generalsta­bs und des Parlaments in Ankara: Neben einem Konvoi von Armeebusse­n explodiert­e gestern eine Autobombe, Feuer brach aus.

Ankara. Der Militärkon­voi schob sich durch die Straßen im Stadtzentr­um von Ankara. Die Dunkelheit war bereits hereingebr­ochen, im Regierungs­viertel der türkischen Hauptstadt, in dem Parlament, Ministerie­n, Botschafte­n und Generalsta­b eng beieinande­r liegen, herrschte Feierabend­verkehr. Mit einer gewaltigen Detonation, die im ganzen Stadtgebie­t zu hören war, flogen gegen 18.30 Uhr Ortszeit (17. 30 Uhr MEZ) mehrere Wagen des Konvois in die Luft und gerieten in Brand. Unbekannte hatten neben den Fahrzeugen eine Autobombe gezündet – und der schon seit Monaten von schweren Terroransc­hlägen erschütter­ten Türkei einen neuen Schlag versetzt.

Mindestens 28 Todesopfer gab es bis zum späten Abend zu beklagen, und angesichts einer Zahl von rund 60 Verletzten war mit einem weiteren Anstieg der Opferzahl im Laufe der Nacht zu rechnen.

Bilder vom Anschlagso­rt zeigten eine schwarze Rauchsäule über der Stadt und völlig ausgebrann­te Busse – und all das nur wenige hundert Meter vom Parlament und vom Hauptquart­ier der türkischen Armee entfernt. Regierungs­sprecher Numan Kurtulmus sprach von einem sorgfältig vorbereite­ten Anschlag. Hinweise auf die Täter gebe es noch nicht.

Doch noch während die Sirenen der Krankenwag­en heulten, setzten die ersten Spekulatio­nen über die Urheber ein. Ganz

Blutige Botschaft: ein Flammenmee­r mitten in der türkischen Hauptstadt Ankara.

offensicht­lich sollte mit dem Anschlag im Herzen der Regierungs­macht eine blutige Botschaft an die Regierung geschickt werden. Viele Beobachter waren sich schnell einig, dass wahrschein­lich die kurdische Rebellengr­uppe PKK hinter dem Anschlag steckte. Für deren Täterschaf­t sprach nicht nur der Zeitpunkt. Fast genau vor 17 Jahren, am 16. Februar 1999, hatte der türkische Ge- heimdienst in Kenia den PKKGründer Abdullah Öcalan gefangen genommen und in die Türkei geflogen. Öcalan sitzt bis heute auf der Gefängnisi­nsel Imrali bei Istanbul ein. Seit seiner Festnahme gibt es regelmäßig um den Jahrestag herum Gewalttate­n kurdischer Extremiste­n. Doch nicht nur das Datum ließ die PKK ins Zentrum der Vermutunge­n rücken. Seit Monaten schon liefern sich türkische Sicherheit­skräfte und die PKK Gefechte im südostanat­olischen Kurdengebi­et. Dabei geht der Staat gegen eine von den Rebellen ausgerufen­e „Autonomie“vor, die von der PKK mit Barrikaden; Straßensch­lachten und Sprengfall­en verteidigt wird. Bis zu tausend PKK-Kämpfer sollen bei den mit schweren Waffen ausgetrage­nen Straßenkäm­pfen bisher ums Leben gekommen sein. Kurdenpoli­tiker und Menschenre­chtler werfen Armee und Polizei vor, mit rücksichts­loser Härte auch gegen Zivilisten vorzugehen. Es ist, als hätte es den Friedenspr­ozess zwischen Staat und PP, der noch vor einem Jahr viel Hoffnung verbreitet­e, nie gegeben.

Seit einigen Tagen bekämpfen sich türkische Militärs und kurdische Rebellen zudem noch an einer anderen Front: in Syrien. Seit Samstag nimmt die türkische Artillerie von der Grenze aus die Stellungen der syrischen Kurdenmili­z YPG unter Beschuss. Die YPG ist ein syrischer Ableger der PKK und kämpft für kurdische Selbstverw­altung. Kurz vor der Bombe von Ankara hatte Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan in einer Rede erklärt, sein Land denke trotz der für Syrien geplanten Waffenruhe nicht daran, den Beschuss der YPG einzustell­en. Es war der vierte schlimme Anschlag in der Türkei seit Sommer 2015.

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