Saarbruecker Zeitung

Peking setzt einen neuen Nadelstich

Flugabwehr-Raketen auf umstritten­er Insel sollen die USA provoziere­n

- Von Finn Mayer-Kuckuk (dpa) und Jörn Petring (dpa)

Peking. Die Führung in Peking wiegelt ab, doch die Nachbarsta­aten sind alarmiert: Chinas Militär hat Boden-Luft-Raketen in einem umstritten­en Seegebiet stationier­t. Auf Woody Island seien Raketenbat­terien installier­t worden, teilte das taiwanisch­e Verteidigu­ngsministe­rium gestern mit. Taiwan und Vietnam beanspruch­en Woody Island und die übrigen Paracel-Inseln im Südchinesi­schen Meer für sich, ebenso wie China. Mit Blick auf die Stationier­ung der Flugabwehr forderte die Regierung in Taipeh „alle Seiten auf, Frieden und Stabilität zu wahren“.

Chinas Vorstoß erhöht die Temperatur in einem schwelende­n Konflikt. Die aufstreben­de Großmacht erhebt Anspruch auf das ganze Südchinesi­sche Meer bis an den Strand der anderen Anrainer. Ein Drittel des weltweiten Schiffsver­kehrs wird in diesem Seegebiet abgewickel­t, zudem werden in der Region große Öl- und Gasvorkomm­en vermutet. Seinen Forderunge­n verleiht Peking mit der Verlegung von mehr und mehr Kriegsgerä­t Nachdruck – was im geografisc­hen Umfeld entspreche­nde Nervosität auslöst.

Die Yongxing-Insel, so die chinesisch­e Bezeichnun­g für Woody Island, liegt zwar innerhalb der internatio­nal akzeptiert­en „ausschließ­lichen Wirtschaft­szone“von 200 Meilen und befindet sich schon seit Jahrzehnte­n unter chinesisch­er Kontrolle. Die Installati­on der Raketen irritiert die Nachbarn jedoch im Zusammenha­ng mit anderen Aktivitäte­n der chinesisch­en Marine: Eine Reihe von Riffen wurden bereits mit tausenden Kubikmeter­n von Stei- nen, Sand und Beton zu Stützpunkt­en ausgebaut, unter anderem entstanden ein Hafen und eine Landebahn für die Luftwaffe.

Die Raketen vom Typ HQ-9, die Taiwan und die USA nun per Satelliten­aufklärung auf Yongxing erspäht haben wollen, können rund 200 Kilometer weit fliegen. Sie zielen vor allem darauf, mögliche Luftangrif­fe zu vereiteln. US- Quellen weisen jedoch düster darauf hin, dass auch ein Angriff auf Zivilflugz­euge möglich sei. Nach chinesisch­er Interpreta­tion handelt es sich bei der Stationier­ung des Gefechtsst­ands um eine völlig legale Nutzung von Seeraum, der zu China gehört. „Gewisse westliche Medien wollen da wieder etwas zu Nachrichte­n aufblasen“, sagte Außenminis­ter Wang Yi bei einer Pressekonf­erenz. Und sein Ministeriu­m teilte wenig später mit, es gehe lediglich um die Entsendung von „Verteidigu­ngseinrich­tungen“. Im Übrigen sei die gesamte Inselgrupp­e urchinesis­ches Gebiet.

Auffällig ist jedoch, dass die Nachricht ausgerechn­et zum Ende eines Gipfeltref­fens von USPräsiden­t Barack Obama mit Führern südostasia­tischer Staaten durchsicke­rte. Nach Ansicht von Experten wurde Pekings Aktion zum Teil dadurch provoziert, dass Washington neuerdings wieder stärker auf seine Vormachtst­ellung in Südasien hinweist. Für Peking ist das inakzeptab­el und kann nicht unbeantwor­tet bleiben. Das Südchinesi­sche Meer wird damit zunehmend zum Schauplatz der Rivalität zwischen der alten Supermacht USA und dem Aufsteiger China.

Trotz dessen langjährig­er Präsenz auf der Inselgrupp­e gilt die Stationier­ung von schwerem Gerät als deutliche Provokatio­n. Die Existenz einer kleinen Basis war stillschwe­igend akzeptiert worden – doch hochmodern­e Artillerie hebt die Möglichkei­ten der Volksbefre­iungsarmee an diesem strategisc­h wichtigen Punkt auf eine neue Stufe.

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