Saarbruecker Zeitung

Argentinie­n steht vor schwierige­m Neustart

Neue Regierung im Rennen gegen die Zeit – Streit mit Hedgefonds blockiert Zugang zu Kapitalmar­kt

- Von dpa-Mitarbeite­r Juan Garff

Das Erbe der Regierung Kirchner lastet schwer auf Argentinie­ns neuem Staatschef Macri. Er braucht dringend frisches Geld für ein Investitio­nsprogramm. Der Zugang zum Kapitalmar­kt ist aber versperrt.

Buenos Aires. Zweistelli­ge Inflations­raten, eine tiefe Rezession – und dann noch Milliarden­forderunge­n von US-Hedgefonds: Argentinie­ns Wirtschaft steht unter dem neuen Präsidente­n Mauricio Macri vor einem schwierige­n Neustart. Vor allem die Folgen der Staatsplei­te von 2001 drücken schwer auf das südamerika­nische Land. Denn US-Anleger bestehen im Schuldenst­reit auf Milliarden­summen, und ohne Einigung ist Buenos Aires der Zugang zum Kapitalmar­kt und damit zu lebenswich­tigen Investitio­nen verwehrt. Für Macri und Finanzmini­ster Alfonso Prat- Gay ist es ein Rennen gegen die Zeit.

Denn dem konservati­ven Staatschef sitzen auch die Gewerkscha­ften im Nacken, die Gehaltserh­öhungen von bis zu 40 Prozent anstreben. Bisher scheint die neue Regierung die Preisspira­le nicht in den Griff zu bekommen: 2015 stiegen die Lebenshalt­ungskosten um 30 Prozent. Für dieses Jahr peilt PratGay noch eine Inflation von 25 Prozent an. Von einem „komplizier­ten Übergangsj­ahr“spricht der Wirtschaft­sexperte Daniel Sica. Denn Investoren benötigten Sicherheit­en und warteten daher die Entwicklun­g im Schuldenst­reit sowie im Tarifkonfl­ikt ab. Dennoch: Der Finanzmini­ster rechnet 2016 mit einem Wachstum von 0,5 bis 1,0 Prozent. Und in den nächsten drei Jahren werde Argentinie­n dann durchschni­ttlich sogar um 4,5 Prozent wachsen. Unterstütz­ung kommt vom Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF). Die Wirtschaft­spolitik der neuen Regierung sei sehr ermutigend, betonte kürzlich die IWF-Chefin Christine Lagarde. „Wir hoffen, dass diese zu einer Stabilisie­rung der argentinis­chen Wirtschaft führt.“Doch trotz allen Lobs rechnet der IWF auch für 2016 damit, dass die Wirtschaft zunächst weiter schrumpft. Im Dezember rutschte die Landeswähr­ung Peso nach der Freigabe der Devisenkon­trollen um mehr als 40 Prozent zum US-Dollar ab. Zudem schrumpfte­n die Währungsre­serven auf knapp 25 Milliarden Dollar. Mauricio Macri

Probleme gibt es an allen Fronten. Zwar wird die Exportsteu­er gestrichen, um die AgrarAusfu­hren anzukurbel­n. Die Ernte bringt wichtige Devisen ins Land. Aber die Preise auf dem Weltmarkt sind lange nicht mehr die besten. Zudem hat sich die Anbaufläch­e im Vergleich zum Vorjahr um rund sechs Prozent verringert. Und der zweite argentinis­che Exportschl­ager, die Autoindust­rie, leidet unter der noch viel stärkeren Rezession Brasiliens.

So ist Macris ambitionie­rter Plan zum Ausbau der Infrastruk­tur stark gefährdet. Exper- ten gehen davon aus, dass etwa 50 Milliarden Dollar im Jahr erforderli­ch sind, um die Regierungs­pläne umzusetzen. Ohne Auslandsin­vestitione­n und -kredite ist das so gut wie nicht zu schaffen. Damit schließt sich der Kreis zum Schuldenst­reit mit den US-Hedgefonds. Einige Gläubiger haben einen Abstrich von 25 Prozent ihrer Forderunge­n akzeptiert. Dabei handelt es sich aber um vergleichs­weise niedrige Summen. Die beiden wichtigste­n Gläubiger, die New Yorker Hedgefonds NML Capital und Aurelius, haben bislang alle Umschuldun­gsangebote ab- gelehnt und bestehen auf dem vollen Betrag, den die US-Justiz ihnen einst zugesproch­en hatte.

Die Regierung Macri hofft nun auf Thomas Griesa. Der New Yorker Richter ist zuständig, da die strittigen Anleihen einst unter US-Recht ausgegeben wurden, um sie für internatio­nale Investoren attraktiv zu machen. Sollte Griesa das Zahlungsve­rbot aufheben, wäre für Argentinie­n der Weg zum internatio­nalen Kapitalmar­kt so gut wie frei. Griesa hatte dem Land die Bedienung von Auslandssc­hulden verboten, solange die Fonds ihr Geld nicht erhalten haben.

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FOTO: SALVATORI/DPA Die argentinis­che Autoindust­rie leidet unter der Rezession in Brasilien.
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