Wo der Lebensanker an der Nabelschnur hängt
Michael Kumpfmüllers heute erscheinender Männerroman
Dieser Roman wird sein Publikum finden. Innenansichten aus dem Leben schwächelnder Männer, die sich (in jeder Hinsicht) an Frauen aufrichten müssen, gehen immer. Literarisch ist Michael Kumpfmüllers „Die Erziehung des Mannes“eine ziemliche Enttäuschung.
Saarbrücken. Die Schwäche dieses klassischen Entwicklungsromans ist seine enervierende Geradlinigkeit. Michael Kumpfmüller kultiviert in „Die Erziehung des Mannes“lange Zeit einen spröden, berichthaften Ton und legt die Vita seiner Hauptfigur so kantenlos und absehbar aus, dass man sich immerzu fragt, warum er dieser éducation sentimentale nicht einen doppelten Boden eingezogen oder ihr eine tragfähige Gegenfigur gegönnt hat.
Verglichen mit den vier Vorgängerromanen bleibt Kumpfmüller diesmal unter seinen Möglichkeiten. War sein Debüt „Hampels Fluchten“(2000) ein leichtfüßiger Schelmenroman um einen torhaften Bettenverkäufer, so lieferte er mit „Durst“(2003) eine schockgefrorene Milieustudie (nach einem realen Fall) über eine Mutter, die ihre Kinder verdursten lässt. Die folgende „Nachricht an alle“(2008) leg- te er als temporeiches Politiker-Psychogramm an, während der Kafkas später Liebe Dora Diamant gewidmete Roman „Die Herrlichkeit des Lebens“(2011) ein Kabinettstück von zärtlicher Anmut war.
Kumpfmüllers neue Erzählstimme Georg ist das Musterbeispiel eines geduldigen Softies, der Frauen notorisch unterliegen muss. Sein Leben erscheint ihm „wie eine Serie dummer Zufälle“, dem sie Richtung geben sollen. Dass er (ein mit den Jahren immer erfolgreicherer) Komponist ist, bleibt für die Romankomposition bedeutungslos. Kein Künstlerroman steckt in diesen Bekenntnissen eines ambitionierten Würstchens, das spät aus dem Schatten seines übermächtigen Vaters tritt.
Erzählt Teil eins von Kumpfmüllers Männerlebenstherapie-Tryptychon zunächst von einer siebenjährigen, sexlosen Duldsamkeitsprüfung und dann vom Hineinschlittern in die (drei Kinder zeitigende) Ehekatastrophe mit Jule (einer unausstehlichen, dominanten Furie), rollt Teil zwei dann die biografische Vorgeschichte (Georgs Kindheit) auf. Hier gelingen dem Roman in der Zeichnung seines Übervater- Tyrannen (und Fremdgehers) die erzählerisch dichtesten Passagen. Allzu folgerichtig schließt daran im Schlussdrittel Georgs späte Selbstfindung an: Lehrbuchartig hängt der Lebensanker Mannsein an der kindlichen Nabelschnur.
Carla, Vera, Therese, Katrin und vor allem die Komplementärfiguren Jule und Sonja: Chronologisch legt Kumpfmüllers Antiheld seine Frauenhistörchen flach, breitet alle aus. Sexuelle Höhepunkte & Durchhänger, Schuld & List, Entwurf & Verwerfung – der Liebeskompass dreht sich immer im Kreis. Eingenordet von den drei Kindern, die am Ende erwachsen sind und Georg freisprechen vom Vorwurf, ihnen ein Kindheitsidyll geraubt zu haben. „Wir waren die, von denen es immer zu viele gab, wir haben nicht richtig an uns geglaubt“, sagt Georg zuletzt. Auch wenn sich der Roman so zum Generationenporträt stilisieren will: Er ist es nicht. Aber Georg doch einer von uns. Michael Kumpfmüller
Michael Kumpfmüller: Die Erziehung des Mannes. Kiepenheuer & Witsch, 318 S., 19,99