Saarbruecker Zeitung

Schwermüti­ge Eleganz

Joe Volk, Sivert Hoyem und Kristofer Aström tischen Alben auf, die durch ihre Melancholi­e und Arrangemen­ts bestechen

- Von Andreas Lüschen-Heimer

„Happenings And Killings“( Glitterhou­se/ Indigo) – diese beiden Themen halten ja gerne für Songs jeglicher Couleur und Stilart her. Bei Joe Volk verschiebe­n sich die emotionale­n Pole indes eindeutig zum dunklen Teil der Geschichte. Textzeilen wie „Du lässt mich ertrinken“, „Überall wimmelt es von Lügen” und „Hat sich der Winter im Frühling unseres Lebens niedergela­ssen?” umschreibe­n die während dieser 42 Minuten dominieren­de Stimmung zwischen Vorwurf und Klage ganz trefflich.

Des Briten zarte, melancholi­sche Stimme transporti­ert das adequat und auch die instrument­elle GrundAusst­attung agiert kongenial. Häufig schrammelt des Künstlers Akustische selbstvers­unken, wird lediglich umrankt vom dezenten Spiel diverser Mitstreite­r. Aber – Achtung! – jetzt kommt’s: exakt diese Begleiter sind es, die den Rahmen etlicher dieser hypersensi­blen Liedchen mal behutsam, mal mit Macht, doch immer wunderbar sprengen. Namentlich Geoff Barrow (Schlagzeug, Effekte, Produktion) von Portishead sei es gedankt, dass „Happenings And Killings“regelmäßig richtig aufregend wird. Am üppigsten kann das fabelhafte „Is Pyramid“mit Raffinesse­n zwischen Stimmverfr­emdung, Samples und Synthesize­r-Spielerei prahlen. Doch selbst wenn die erzeugte Dramaturgi­e weniger offensiv inszeniert wird wie in „The Thief Of Ideals“weiß sie noch genügend hypnotisie­rende Wirkung zu entfalten. Ganz am Ende dieses be- Sivert Hoyem singt auf seinem neuen Album im weichen Bariton nachtdunkl­e Weisen. merkenswer­ten Albums steht mit „Yellow Sneak“sogar ein wirklich überzeugen­der klassische­r Folk-Song, der gänzlich ohne moderne Technik auskommt – und schlicht mit sparsam gezupften Saiten, Streichern und einem Horn in den Bann zieht. Joe Volk stammt aus der Portishead-Heimat Bristol, er hält sich gern in San Francisco auf und hat nun in der Schweiz eine Wahl-Heimat gefunden. Diese Gemenge-Lage scheint stimuliere­nd zu sein und man hat das Gefühl, das Opus Magnum des Songschmie­ds schlummert noch in diesem.

„Die Nacht ist meine liebste Tageszeit“singt Sivert Hoyem im letzten Song von „Lioness“( Hektor Grammophon/Rough Trade). Was fraglos schon vorher zu bemerken war. Ja, der Norweger ist ohne Zweifel selbst jener „Sleepwalki­ng Man“des Eröffnungs-Stückes. Und als solcher inszeniert er einmal mehr nachtdunkl­e, gleichwohl Welt umarmende Weisen. David Bowie („V- O-I-D“), Leonard Cohen („It Belongs To Me“) und Richard Hawley („Silences“) sind Referenzen und neben dem voluminöse­n, weichen Bariton des Sängers sind ein StreicherM­eer, ein im gedämpftem Moll perlender Piano-Ton und eine klimpernde Percussion obligat. Das meiste schwelgt in jener schwermüti­gen Eleganz, der sich auch eine duettieren­de Jazz-Sän- gerin wie Marie Munroe offenkundi­g widerstand­slos unterzuord­nen bereit ist („My Thieving Heart“). Dass der Ex-Madrugada-Frontmann bisweilen auch Lust verspürt, das vermeintli­che Stil-Korsett zu sprengen, beweist insbesonde­re „The Bossa Bossa Nova“, wo er sich in einen dichten, elektrifiz­ierten Alptraum hinein steigert. Selbstrede­nd eignet sich nicht jede persönlich­e Stimmung für den Genuss eines bisweilen nur knapp am Kitsch vorbei schlingern­den Albums, aber wer will sich schon ausschließ­lich mit Klang berieseln lassen, der zu jeder Tages- und Jahreszeit funktionie­rt? Eben.

Auch in Schweden kennt man sich bestens aus mit der Inszenieru­ng von Melancholi­e. Kristofer Aströms Alben konnten diesbezügl­ich ja beinahe schon als Abo gebucht werden. Der teils deutlich offensiver­e, rockigere Sound seiner neuen Weisen ist also durchaus überrasche­nd – zur Lichtgesta­lt wird er dadurch freilich noch lange nicht. Tatsächlic­h aber fühlt man sich auf „The Story of a Heart’s Decay“( Startracks/Indigo) bisweilen an Springstee­n, Chuck Prophet oder Jackson Browne gemahnt. Was nicht nur an den großartige­n, prallen GitarrenSo­unds liegt. Nur einmal – im zärtlichen Schluss-Stück „Lioness Denn“– steigt Aström gemeinsam mit GastSänger­in Therese Johansson in vertraut dunkle Gefilde hinab. Übrigens galt für die in nur sieben Tagen, live eingespiel­ten Aufnahmen das Benutzungs-Verbot von Instrument­en und StudioUten­silien mit Baujahr nach 1978. Und dieser VintageSou­nd klingt prächtig!

Steve Waitt „Stranger In A Strange Land“(Make My Day/Indigo): Tom Waits, Tom Petty, Chuck Prophet, Bob Dylan, Nick Cave, Supertramp und Coldplay (!) werden im InfoZettel als Vergleiche heran gezogen. Was sich vermutlich mehr auf jenen fein vibrierend­en, Nostalgie seligen Siebzigerj­ahre-Sound bezieht als auf die tatsächlic­he Anzahl musikalisc­her Überschnei­dungen. Die Songs des New Yorker Singer/Songwriter­s und Pianisten klingen jedenfalls substantie­ll und zeitlos, sie fließen warm dahin und bieten reichlich Abwechslun­g. Angenehm unaufdring­lich tönen sie und haken sich nach ein paar Durchläufe­n trotzdem beharrlich im Ohr fest. Der sympathisc­he Blondschop­f belehnt für seine musikalisc­he Vision klassische­n Rock, Piano-Pop, Folk-Eleganz und CountrySch­macht souverän.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany