Schwermütige Eleganz
Joe Volk, Sivert Hoyem und Kristofer Aström tischen Alben auf, die durch ihre Melancholie und Arrangements bestechen
„Happenings And Killings“( Glitterhouse/ Indigo) – diese beiden Themen halten ja gerne für Songs jeglicher Couleur und Stilart her. Bei Joe Volk verschieben sich die emotionalen Pole indes eindeutig zum dunklen Teil der Geschichte. Textzeilen wie „Du lässt mich ertrinken“, „Überall wimmelt es von Lügen” und „Hat sich der Winter im Frühling unseres Lebens niedergelassen?” umschreiben die während dieser 42 Minuten dominierende Stimmung zwischen Vorwurf und Klage ganz trefflich.
Des Briten zarte, melancholische Stimme transportiert das adequat und auch die instrumentelle GrundAusstattung agiert kongenial. Häufig schrammelt des Künstlers Akustische selbstversunken, wird lediglich umrankt vom dezenten Spiel diverser Mitstreiter. Aber – Achtung! – jetzt kommt’s: exakt diese Begleiter sind es, die den Rahmen etlicher dieser hypersensiblen Liedchen mal behutsam, mal mit Macht, doch immer wunderbar sprengen. Namentlich Geoff Barrow (Schlagzeug, Effekte, Produktion) von Portishead sei es gedankt, dass „Happenings And Killings“regelmäßig richtig aufregend wird. Am üppigsten kann das fabelhafte „Is Pyramid“mit Raffinessen zwischen Stimmverfremdung, Samples und Synthesizer-Spielerei prahlen. Doch selbst wenn die erzeugte Dramaturgie weniger offensiv inszeniert wird wie in „The Thief Of Ideals“weiß sie noch genügend hypnotisierende Wirkung zu entfalten. Ganz am Ende dieses be- Sivert Hoyem singt auf seinem neuen Album im weichen Bariton nachtdunkle Weisen. merkenswerten Albums steht mit „Yellow Sneak“sogar ein wirklich überzeugender klassischer Folk-Song, der gänzlich ohne moderne Technik auskommt – und schlicht mit sparsam gezupften Saiten, Streichern und einem Horn in den Bann zieht. Joe Volk stammt aus der Portishead-Heimat Bristol, er hält sich gern in San Francisco auf und hat nun in der Schweiz eine Wahl-Heimat gefunden. Diese Gemenge-Lage scheint stimulierend zu sein und man hat das Gefühl, das Opus Magnum des Songschmieds schlummert noch in diesem.
„Die Nacht ist meine liebste Tageszeit“singt Sivert Hoyem im letzten Song von „Lioness“( Hektor Grammophon/Rough Trade). Was fraglos schon vorher zu bemerken war. Ja, der Norweger ist ohne Zweifel selbst jener „Sleepwalking Man“des Eröffnungs-Stückes. Und als solcher inszeniert er einmal mehr nachtdunkle, gleichwohl Welt umarmende Weisen. David Bowie („V- O-I-D“), Leonard Cohen („It Belongs To Me“) und Richard Hawley („Silences“) sind Referenzen und neben dem voluminösen, weichen Bariton des Sängers sind ein StreicherMeer, ein im gedämpftem Moll perlender Piano-Ton und eine klimpernde Percussion obligat. Das meiste schwelgt in jener schwermütigen Eleganz, der sich auch eine duettierende Jazz-Sän- gerin wie Marie Munroe offenkundig widerstandslos unterzuordnen bereit ist („My Thieving Heart“). Dass der Ex-Madrugada-Frontmann bisweilen auch Lust verspürt, das vermeintliche Stil-Korsett zu sprengen, beweist insbesondere „The Bossa Bossa Nova“, wo er sich in einen dichten, elektrifizierten Alptraum hinein steigert. Selbstredend eignet sich nicht jede persönliche Stimmung für den Genuss eines bisweilen nur knapp am Kitsch vorbei schlingernden Albums, aber wer will sich schon ausschließlich mit Klang berieseln lassen, der zu jeder Tages- und Jahreszeit funktioniert? Eben.
Auch in Schweden kennt man sich bestens aus mit der Inszenierung von Melancholie. Kristofer Aströms Alben konnten diesbezüglich ja beinahe schon als Abo gebucht werden. Der teils deutlich offensivere, rockigere Sound seiner neuen Weisen ist also durchaus überraschend – zur Lichtgestalt wird er dadurch freilich noch lange nicht. Tatsächlich aber fühlt man sich auf „The Story of a Heart’s Decay“( Startracks/Indigo) bisweilen an Springsteen, Chuck Prophet oder Jackson Browne gemahnt. Was nicht nur an den großartigen, prallen GitarrenSounds liegt. Nur einmal – im zärtlichen Schluss-Stück „Lioness Denn“– steigt Aström gemeinsam mit GastSängerin Therese Johansson in vertraut dunkle Gefilde hinab. Übrigens galt für die in nur sieben Tagen, live eingespielten Aufnahmen das Benutzungs-Verbot von Instrumenten und StudioUtensilien mit Baujahr nach 1978. Und dieser VintageSound klingt prächtig!
Steve Waitt „Stranger In A Strange Land“(Make My Day/Indigo): Tom Waits, Tom Petty, Chuck Prophet, Bob Dylan, Nick Cave, Supertramp und Coldplay (!) werden im InfoZettel als Vergleiche heran gezogen. Was sich vermutlich mehr auf jenen fein vibrierenden, Nostalgie seligen Siebzigerjahre-Sound bezieht als auf die tatsächliche Anzahl musikalischer Überschneidungen. Die Songs des New Yorker Singer/Songwriters und Pianisten klingen jedenfalls substantiell und zeitlos, sie fließen warm dahin und bieten reichlich Abwechslung. Angenehm unaufdringlich tönen sie und haken sich nach ein paar Durchläufen trotzdem beharrlich im Ohr fest. Der sympathische Blondschopf belehnt für seine musikalische Vision klassischen Rock, Piano-Pop, Folk-Eleganz und CountrySchmacht souverän.