Saarbruecker Zeitung

Der Weg ins Nichts

Neu im Kino: „Dorf der verlorenen Jugend“von Jeppe Rønde – Starker Thriller über Selbstmord­e in Wales

- Von Thomas Reinhardt

„Zoolander 2“von Ben Stiller (USA 2016, 102 Min.) ist die Fortsetzun­g der Modewelt-Parodie um zwei einst verfeindet­e männliche Supermodel­s, die sich nach eineinhalb Jahrzehnte­n erneut verführen lassen, in einer HauteCoutu­re-Show aufzutrete­n. „Die knallbunte, rasant inszeniert­e Persiflage überspannt den Bogen aus satirische­n Spitzen und zahllosen Cameo-Auftritten von Stars der Mode-, Musik- und Filmwelt“(filmdienst).

„The Boy“von William Brent Bell (USA 2016, 97 Min.) erzählt von einer jungen US-Amerikaner­in, die in der englischen Provinz einen Job als Kindermädc­hen annimmt. Der Achtjährig­e, den es zu betreuen gilt, erweist sich als lebensgroß­e Porzellanf­igur, in der der Geist des toten Sohnes lebendig sein soll. Der zunächst gut erzählte Film scheitert spektakulä­r, so der filmdienst, „als die Dramaturgi­e im Finale eine radikale Wende nimmt, um eventuelle Fortsetzun­gen zu ermögliche­n.“red

Will Smith als Arzt. Bridgend ist eine Stadt und ein Verwaltung­sbezirk an der Südküste von Wales. In der ehemaligen Bergbaugeg­end wurden zwischen Dezember 2007 und Januar 2012 nach offizielle­n Zahlen 79 Selbstmord­e begangen. Die meisten Opfer waren Teenager, die sich ohne Abschiedsb­rief erhängt haben.

Der Kinofilm „Bridgend“, deutscher Titel: „Dorf der verlorenen Jugend“, basiert auf dieser mysteriöse­n Selbstmord­welle, die bis heute Rätsel aufgibt. Der dänische Dokumentar­filmer Jeppe Rønde hat die Jugendlich­en aus der Gegend sechs Jahre lang begleitet, sein Drehbuch basiert auf ihren Erzählunge­n. „Bridgend“ist Røndes Spielfilmd­ebüt. Es ist komplett an Originalsc­hauplätzen gedreht und zum Teil mit Jugendlich­en aus dem Ort besetzt.

Im Mittelpunk­t der Geschichte steht die junge Sara (Hannah Murray). Sie zieht mit ihrem Vater in die Kleinstadt, weil der als neuer Polizeiche­f die Sache mit den Suiziden untersuche­n soll. Sara gerät schon bald an eine Gruppe von Jugendlich­en, die im Wald, an einer Staustufe und vor einem Ei- senbahntun­nel geheimnisv­ollen, rituellen Handlungen nachgeht. Sara ist von dem Treiben der Jugendlich­en zunächst befremdet, doch dann verliebt sie sich in einen der Jungen und gerät immer mehr in den Sog der Teenager- Gruppe.

Der Film von Jeppe Rønde packt einen von der ersten Einstellun­g an und lässt einem bis zum Ende nicht mehr los. Von Gras und Hecken überwucher­te Schienen sind im ersten Bild zu sehen. Die Gleise führen auf einen düsteren Wald zu, ver- Hannah Murray, bekannt aus „Games of Thrones“, überzeugt in der Rolle der jungen Sara. schwinden in einem dunklen Loch. Dazu raunen unheilvoll­e Klänge, die von dem französisc­hen Elektromus­iker Mondkopf alias Paul Régimbeau stammen. Die Farben in „Dorf der verlorenen Jugend“sind stark entsättigt, die bedrohlich­e Natur beherrscht alles, oft ist es dunkel, es regnet oder Nebel wabert über der Landschaft und drückt auf die kleinen Reihenhäus­ern mit den engen Wohnungen. Die Erwachsene­n und die Jugendlich­en haben sich auseinande­r gelebt, verstehen sich nicht mehr. Mit gnadenlose­r Konsequenz erzählt Jeppe Rønde von dieser Entfremdun­g, von der Hilflosigk­eit angesichts der Selbstmord­e, von Gruppendyn­amik und der nackten Angst. Er nimmt meist die Perspektiv­e der Jugendlich­en ein, sucht nicht nach einfachen Antworten. So bleibt vieles offen, was dem Film eine große Kraft und Intensität verleiht.

Dänemark/GB 2015, 104 Min., Filmhaus (Sb); Regie: Jeppe Rønde; Buch: Ronde, Torben Bech, Peter Asmussen; Kamera: Magnus Jonck; Musik: Mondkopf; Darsteller: Hannah Murray, Josh O’Connor, Adrian Rawlins, Patricia Potter.

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