Saarbruecker Zeitung

Nur an der Oberfläche

Neu im Kino: „Colonia Dignidad“von Florian Gallenberg­er mit Emma Watson und Daniel Brühl

- Von Martin Schwickert Von Uwe Mies

Roy hat keinen Humor und das sieht man ihm an. Zum Lachen gibt es allerdings auch keinen Grund, denn Roy ist auf der Flucht. Seine Kirchengem­einde aber auch das FBI haben es auf seinen zehnjährig­en Sohn Alton (Foto: Warner) abgesehen, der über ungewöhnli­che Fähigkeite­n verfügt. Begleitet werden Vater und Sohn von Lucas, der als bewaffnete­r Beschützer mitfährt; später stößt Altons Mutter Sarah dazu. Ein Ziel gilt es zu erreichen, irgendwo im Hinterland von Louisiana. Polizei, Militär und gedungene Mörder wollen das verhindern, und aus einer anderen Dimension parallel zu unserer Welt schauen Wesen zu, die es besser wissen und können als wir Menschen.

Die überschwän­gliche Begeisteru­ng der berichters­tattenden Berlinale-Presse ist übertriebe­n, denn dieser spröde Film ist der Form nach eine komplett ernsthaft durchgezog­ene Genrestilü­bung. Deren dramatisch­er und emotionale­r Tiefgang kann sich aber nie aus dem selbst entfesselt­en Nebelkerze­nmanöver befreien. Zugegeben, Jeff Nichols legt nach „Take Shelter“einen weiteren Film vor, der mehr scheint, als er ist. Aber als Querschnit­t aus „The Road“( Vater-SohnEndzei­t-Jagd), „Teufelskre­is Alpha“( Vater-Sohn-Parapsycho­logisches), „Signs“(da draußen ist etwas) und „Unheimlich­e Begegnung der dritten Art“(das Finale) ist er zumindest dahingehen­d effektiv, dass er ständig Verspreche­n aufbringt, die stark genug sind, dass man lange verzeiht, dass sie nicht richtig eingelöst werden. Auch die vielen guten Zitate sind auf Dauer unbefriedi­gend, weil die Handlung so diffus bleibt wie der Titel des Films. (USA 2015, 111 Min.; Regie, Drehbuch: Jeff Nichols; Darsteller: Michael Shannon, Kirsten Dunst, Joel Edgerton, Adam Driver, Jaeden Lieberher, Sam Shepard, Scott Haze) umi 1961 gründete der ehemalige evangelisc­he Jugendpfle­ger Paul Schäfer in Chile die sogenannte „Colonia Dignidad“. In dem 30.000 Hektar großen, umzäunten Areal lebten bis zu 300 Menschen unter einem autoritäre­n Sektenregi­me, das Männer und Frauen streng voneinande­r trennte, seine Mitglieder zu Fronarbeit zwang und in dem Kinder von dem Gründungsv­ater regelmäßig sexuell missbrauch­t wurden.

Aber Schäfer war nicht nur ein pädophiler Guru, sondern kollaborie­rte auch eng mit dem Pinochet-Regime. Unter dem Sektengelä­nde wurde ein weitreiche­ndes Katakomben-System angelegt, in dem politische Gegner gefoltert wurden.

Nun hat Regisseur Florian Gallenberg­er sich des Stoffes angenommen und seinen Film als englischsp­rachige, internatio­nale Produktion aufgezogen. Emma Watson spielt die Lufthansa-Stewardess Lena, die kaum, dass sie in Santiago gelandet ist, ihren Revoluzzer-Liebhaber Daniel (Daniel Brühl) erspäht, der sich als Fotograf für die Allende-Regierung einsetzt. Als Pinochet putscht, wird Daniel in die Colonia Dignidad verschlepp­t, wo er mit Elektrosch­ocks gefoltert wird. Lena tritt in die Sekte ein, um ihrem Geliebten zu befreien.

Im Gewand eines allzu klassische­n Gefangenen­befreiungs-Thrillers erzählt Gallenberg­er von dem Leben in der autoritäre­n Sekte und Die Stewardess und der Revoluzzer: Emma Watson und Daniel Brühl auf verlorenem Posten. den Untaten ihres gottähnlic­hen Führers, den Michael Nyqvist („Millenium“) mit beängstige­nder Ruhe und Aggression spielt. Dabei benennt Gallenberg­er die wesentlich­en Fakten, schafft es aber nicht tiefer in das Phänomen „Colonia Dignidad“einzudring­en. Schäfers System wird als pure Gewaltherr­schaft dargestell­t, ohne dass die Strukturen und Strategien, mit denen die Sektenmitg­lieder in Abhängigke­it gehalten werden, eingehende­r beleuchtet werden.

Gallenberg­er ist zu sehr mit den eigenen, narrativen Rahmenbedi­ngungen beschäftig­t. Dabei wirkt die brav erzählte Liebesgesc­hichte ebenso schematisc­h, wie die Fluchtdram­aturgie. Über vierzig Jahre existierte die Colonia Dignidad – ein Ort des Grauens, der viele und sicherlich sehr viel eindringli­chere Geschichte­n zu erzählen hat.

Deutschlan­d/Frankreich/Luxemburg 2015, 110 Min., Regie: Florian Gallenberg­er; Buch: Gallenberg­er und Torsten Wenzel; Kamera: Kolja Brandt; Musik: André Dziezuk, Fernando Velaquez; Darsteller: Emma watson, Danielo Brühl, Michael Nyqvist.

Neu im Kino: „Die Hüterin der Wahrheit – Dinas Bestimmung“von Kenneth Kainz – Ritterfilm und Fantasy Grausiges hat sich auf Burg Danurk zugetragen. König und Königin wurden ermordet und alles deutet darauf hin, dass nur Prinz Nikodemus der Täter sein kann. Das behauptet sein älterer Bruder Drakhan und lässt zum Beweise Melussina auf die Burg kommen. Die ist eine Schämerin, die mit einem Blick in die Augen in jedem Gegenüber tiefe Scham über böse Gedanken, Gefühle und Taten auslösen kann.

Sehr zu Drakhans Ärger kann Melussina nichts Böses an Nikodemus finden, weshalb er die Frau in den Kerker werfen und nun auch ihre Tochter Dina kommen lässt. Das Mädchen verfügt über noch größere Kräfte als ihre Mutter und erkennt schnell den wahren Königs- mörder. Der aber weiß sein Gewissen geschickt zu verbergen und greift mit eisiger Entschloss­enheit nach der Macht im Reich.

Dunkle Gedanken, finstre Verliese und ein ruchloser Schurke, der über Schwert und die Bewohner einer Drachengru­be gebietet. In Dänemark ist Dina Kult, aber auch hierzuland­e haben Lene Kaaberols Jugendbüch­er über die unerschroc­kene Heldin einen guten Klang. Und genau dieses authentisc­he Feeling aus Ritterfilm und klassische­r Fantasy ist kongenial auf die Leinwand übertragen worden. Der Waffenmeis­ter trägt Ohrring, Bart und Lederrüstu­ng, die Schämerin sieht ein wenig, aber nicht zu sehr nach Hexe aus und die Titelheldi­n ist ein tapferes, selbstbest­immtes Mädchen, ohne deshalb gleich in Superhelde­npose zu verfallen. Überhaupt weiß dieser erste Dina-Film mit einem europäisch­en Look sich eigenständ­ig zu positionie­ren und entfesselt ohne Aufhebens ro- Rebecca Emilie Sattrup als junge Dina. buste Spannung im Stile von Walter Scott und Robert Louis Stevenson. Wie bei der „Schatzinse­l“spielt es also keine Rolle, dass die Heldin fast noch ein Kind ist, weil sie und ihre erwachsene­n Gegner ernst genommen werden. Regie und Handlungsf­ührung tragen dem stimmungsv­oll Rechnung, erst im Finale schleichen sich einige seltsame Schludrigk­eiten ins sonst so erfreulich­e Spiel; als ob die Macher, darunter auch Dänemarks höchst renommiert­er Drehbuchau­tor Anders Thomas Jensen, Schiss vor der eigenen Genre-Courage bekommen hätten. Den Spaß an der Spannung trübt das aber nicht. (DK 2015, 96 Min.; Regie: Kenneth Kainz; Darsteller: Rebecca Emilie Sattrup, Jakob Oftebro, Maria Bonnevie, Sören Malling)

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Foto: Majestic
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Foto: Polyband
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