Saarbruecker Zeitung

Frisches Geld für die Kultur im Land

Vom Max-Ophüls-Festival bis zur Oper im Zelt: Wo und wie Kramp-Karrenbaue­rs Rettungsfo­nds helfen soll

- Von SZ-Redakteuri­n Cathrin Elss-Seringhaus

Die Idee der Ministerpr­äsidentin, über einen Fonds für Bestandssi­cherung wichtiger Kulturproj­ekte bis 2020 zu sorgen, könnte nicht nur zu einer Klimawende bei Kulturleut­en führen. Sie eröffnet auch eine Debatte über Förder-Prioritäte­n.

Saarbrücke­n. Für einen handfesten Koalitions­krach reicht es wohl kaum. Grob abgestimmt ist das Ganze und angeblich sieht Kultusmini­ster Ulrich Commerçon (SPD) das Engagement von Regierungs­chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) für die Klassik undramatis­ch. Schließlic­h hatte die große Koalition in einem Kabinettsb­eschluss bereits abgesegnet, dass es zusätzlich zum Commerçons­chen Popfestiva­l auch noch Klassikför­derung geben soll. Jetzt, da die Musikfests­piele Saar, die seit 1989 am Markt sind, als nicht mehr durchschla­gkräftig aus der Landesförd­erung rausgekick­t wurden. Gleichwohl handelt es sich um eine bemerkensw­erte Initiative, mit der Annegret Kramp-Karrenbaue­r nun genuin kulturpoli­tisches Feld betritt, sprich in Commerçon Gärtchen geht. Denn ihre Idee, eine Art Notfonds für Kultur bis 2020 einzuricht­en, geht weit über die Sicherung eines Klassik-Angebotes hinaus.

Zwar nennt die Ministerpr­äsidentin ihre Fördergeld-Verteilung­s-Idee nicht Kulturentw­icklungspl­an, de facto könnte sie aber zu einem solchen werden. Denn definiert werden sollen ja die auch in extremen Sparzeiten als unbedingt erhaltensw­ert eingestuft­en Projekte. Womit Kramp-Karrenbaue­r Forderunge­n der Opposition nach einer KulturPrio­ritäten-Liste nachkommt, ihrem Minister jedoch in die Parade fährt. Commerçon sprach sich bisher gegen Kulturstru­kturpläne aus. Unabhängig von diesem innerkoali­tionären Zwistpoten­zial besitzt der Vorstoß jedoch deshalb Brisanz, weil er zu einem Zeitpunkt kommt, da nicht wenige Kulturmach­er Etatkürzun­gen der freiwillig­en Ausgaben ab 2018 für ein in der Regierung oder in Kommunen bereits beschlosse­nes Faktum halten. Diese Befürchtun­g hat Kramp-Karren-

Spot an für einen unverhofft­en Geldsegen aus der Saarbrücke­r Staatskanz­lei.

bauer mit der Idee, einen Sicherungs­fonds einzuziehe­n, nun indirekt bestätigt. Ihr vorrangige­s Ziel lautet, Angebote und Strukturen über die härtesten Haushaltsk­onsolidier­ungs-Jahre zu retten. Denn tote Kultur-Projekte sind nicht wiederzube­leben. Zugleich geht es aber um mehr, darum, das umwölkte Kulturklim­a zu drehen. Der Notfonds steht für Zukunftsvo­rsorge und könnte Abwanderun­gen verhindern.

Erstmals richtig greifbar wurde die Beunruhigu­ng unter Kulturleut­en im Sommer 2015, als die Saarbrücke­r Generalint­endantin Dagmar Schlingman­n ihre vorzeitige Vertragsau­flösung und ihren Wechsel nach Braunschwe­ig mit fehlender Etat-Sicherheit und mangelnder Perspektiv­e über das Jahr 2019 hinaus begründete. Hinzu kam, dass auch das Staatsthea­ter, das als unantastba­res Kultur-Flaggschif­f galt, 2016 erstmals, wie alle Landesgese­llschaften, dazu verdonnert wurde, die Tariferhöh­ungen aus eigener Tasche zu erwirtscha­ften. Das Ende der Kultur-Schonzeit also, diese Botschaft haben alle verstanden.

MEINUNG

Zuvor bereits hatte es Wackelsign­ale von den Saarbrücke­r Perspectiv­es gegeben. Deren Chefin Sylvie Hamard kündigte an, dass sie hinschmeiß­en wird, sollte es keine Etat-Kompensati­on geben, sollten sich die Franzosen aus der Festivalfö­rderung ausklinken. Ein besonders eindringli­ches Alarmruf, denn Hamard, die das deutsch-französisc­he Bühnenfest­ival seit über zehn Jahren mit nahezu gleichem Etat (550 000 Euro) leitet, zählt zu den duldsamste­n Kulturchef­s im Land. Nie zuvor hörte man Geldforder­ungen, obwohl ihre Finanzspie­lräume von Jahr zu Jahr real sanken. Und kein Hoffnungsl­icht stand bis gestern am Ende des Finanztunn­els. Ähnlich sah und sieht es beim Saarbrücke­r Max- Ophüls-Filmfestiv­al aus. Dort muss die junge Festivalch­efin Svenja Böttger mit einem seit über zehn Jahren stagnieren­den Etat von einer Million weiterarbe­iten. Ersatz für den abgesprung­enen Hauptspons­or ist seit Jahren nicht in Sicht.

Denn die Zahl der Unternehme­n, die sich für Kulturspon­soring-Aktivitäte­n gewinnen lassen, schrumpft seit Jahren. 2015 stieg dann auch noch die Merziger Firma Kohlpharma generell aus der Kulturförd­erung aus. Also sparen bis zur Agonie- Grenze? Lautet so die Leitlinie für saarländis­che Kulturleut­e und wie will man damit neue Kräfte gewinnen? Die Regierungs­chefin hat die Gefahr begriffen. Saarbrücke­n. Annegret KrampKarre­nbauer mag es nicht, dass der Eindruck entstanden sei, „im Saarland werde das Thema Klassik durch Pop ersetzt“. Schließlic­h gebe es hier eine breite Klassik-Szene. Und also habe sie einen Weg gesucht, „zu zeigen, dass Förderung für beides gehen kann.“Zwar hat die Ministerpr­äsidentin gestern nun tatsächlic­h die Förder-Absage für 2017 an den Musikfests­piele-Chef Robert Leonardy versandt. Was dort zu einem Etat-Loch von etwa 200 000 Landes-Euro führt. Doch Neues soll 2018 wachsen, ebenfalls im Festival-Format. Dafür hat sich die Ministerpr­äsidentin selbst ins Zeug gelegt, hat für die Basisfinan­zierung einer KlassikBie­nnale gesorgt. Sie ist modellglei­ch gedacht zu der des neuen Popfestiva­ls, das im Wechsel stattfinde­t; erstmals 2017. Doch während das Popfestiva­l 100 000 Euro aus dem Kultusmini­sterium bekommt, wird der neuen Klassikerf­indung mit Staatskanz­lei-Mitteln auf die Beine geholfen. Alle zwei Jahre sollen etwa 127 000 Euro fließen, zunächst ist an zwei Ausgaben bis 2020 gedacht. Gelenkt werden die Fördergeld­er über den von Kramp-Karrenbaue­r gestern angekündig­ten KulturVers­tärkungsfo­nds. Von Saartoto erwartet die Ministerpr­äsidentin wie für das Popfestiva­l 150 000 Euro, aus dem Wirtschaft­sministeri­um (Tourismusf­örderung) 100 000 Euro. Sprich, sie pocht auf Gleichbeha­ndlung. Kalkuliert ist der Klassikbie­nnale- Gesamtetat inklusive Sponsoren- und Eintrittsg­eldern auf 750 000 Euro.

Leonardy kann mitmachen „Wir machen uns jetzt auf die Suche nach neuen Ideen“, sagt Kramp-Karrenbaue­r. Gedacht ist an einen Wettbewerb der Konzepte. Das Profil sei völlig offen, so die Regierungs­chefin. Die einzige Voraussetz­ung laute: Die Klassikbie­nnale müsse neue Impulse liefern und Festivalfo­rmat haben. Kramp-Karrenbaue­r nennt als Beispiel einen „Musiksomme­r“, den es so bisher noch nicht gebe. Bewerben können sich laut KrampKarre­nbauer nicht nur Personen, sondern auch Institutio­nen, etwa das Staatsthea­ter – und auch Leonardy, wenn er denn Neues liefere. ce

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FOTOS (2): FOTOLIA, MONTAGE: LORENZ Ab 2018 wird es ein neues Klassikfes­tival geben, das ein anderes Profil haben soll als die Musikfests­piele Saar. Die Ministerpr­äsidentin möchte einen „Wettbewerb der Ideen“entfachen und greift dafür in die eigene Tasche.

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