Frisches Geld für die Kultur im Land
Vom Max-Ophüls-Festival bis zur Oper im Zelt: Wo und wie Kramp-Karrenbauers Rettungsfonds helfen soll
Die Idee der Ministerpräsidentin, über einen Fonds für Bestandssicherung wichtiger Kulturprojekte bis 2020 zu sorgen, könnte nicht nur zu einer Klimawende bei Kulturleuten führen. Sie eröffnet auch eine Debatte über Förder-Prioritäten.
Saarbrücken. Für einen handfesten Koalitionskrach reicht es wohl kaum. Grob abgestimmt ist das Ganze und angeblich sieht Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) das Engagement von Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) für die Klassik undramatisch. Schließlich hatte die große Koalition in einem Kabinettsbeschluss bereits abgesegnet, dass es zusätzlich zum Commerçonschen Popfestival auch noch Klassikförderung geben soll. Jetzt, da die Musikfestspiele Saar, die seit 1989 am Markt sind, als nicht mehr durchschlagkräftig aus der Landesförderung rausgekickt wurden. Gleichwohl handelt es sich um eine bemerkenswerte Initiative, mit der Annegret Kramp-Karrenbauer nun genuin kulturpolitisches Feld betritt, sprich in Commerçon Gärtchen geht. Denn ihre Idee, eine Art Notfonds für Kultur bis 2020 einzurichten, geht weit über die Sicherung eines Klassik-Angebotes hinaus.
Zwar nennt die Ministerpräsidentin ihre Fördergeld-Verteilungs-Idee nicht Kulturentwicklungsplan, de facto könnte sie aber zu einem solchen werden. Denn definiert werden sollen ja die auch in extremen Sparzeiten als unbedingt erhaltenswert eingestuften Projekte. Womit Kramp-Karrenbauer Forderungen der Opposition nach einer KulturPrioritäten-Liste nachkommt, ihrem Minister jedoch in die Parade fährt. Commerçon sprach sich bisher gegen Kulturstrukturpläne aus. Unabhängig von diesem innerkoalitionären Zwistpotenzial besitzt der Vorstoß jedoch deshalb Brisanz, weil er zu einem Zeitpunkt kommt, da nicht wenige Kulturmacher Etatkürzungen der freiwilligen Ausgaben ab 2018 für ein in der Regierung oder in Kommunen bereits beschlossenes Faktum halten. Diese Befürchtung hat Kramp-Karren-
Spot an für einen unverhofften Geldsegen aus der Saarbrücker Staatskanzlei.
bauer mit der Idee, einen Sicherungsfonds einzuziehen, nun indirekt bestätigt. Ihr vorrangiges Ziel lautet, Angebote und Strukturen über die härtesten Haushaltskonsolidierungs-Jahre zu retten. Denn tote Kultur-Projekte sind nicht wiederzubeleben. Zugleich geht es aber um mehr, darum, das umwölkte Kulturklima zu drehen. Der Notfonds steht für Zukunftsvorsorge und könnte Abwanderungen verhindern.
Erstmals richtig greifbar wurde die Beunruhigung unter Kulturleuten im Sommer 2015, als die Saarbrücker Generalintendantin Dagmar Schlingmann ihre vorzeitige Vertragsauflösung und ihren Wechsel nach Braunschweig mit fehlender Etat-Sicherheit und mangelnder Perspektive über das Jahr 2019 hinaus begründete. Hinzu kam, dass auch das Staatstheater, das als unantastbares Kultur-Flaggschiff galt, 2016 erstmals, wie alle Landesgesellschaften, dazu verdonnert wurde, die Tariferhöhungen aus eigener Tasche zu erwirtschaften. Das Ende der Kultur-Schonzeit also, diese Botschaft haben alle verstanden.
MEINUNG
Zuvor bereits hatte es Wackelsignale von den Saarbrücker Perspectives gegeben. Deren Chefin Sylvie Hamard kündigte an, dass sie hinschmeißen wird, sollte es keine Etat-Kompensation geben, sollten sich die Franzosen aus der Festivalförderung ausklinken. Ein besonders eindringliches Alarmruf, denn Hamard, die das deutsch-französische Bühnenfestival seit über zehn Jahren mit nahezu gleichem Etat (550 000 Euro) leitet, zählt zu den duldsamsten Kulturchefs im Land. Nie zuvor hörte man Geldforderungen, obwohl ihre Finanzspielräume von Jahr zu Jahr real sanken. Und kein Hoffnungslicht stand bis gestern am Ende des Finanztunnels. Ähnlich sah und sieht es beim Saarbrücker Max- Ophüls-Filmfestival aus. Dort muss die junge Festivalchefin Svenja Böttger mit einem seit über zehn Jahren stagnierenden Etat von einer Million weiterarbeiten. Ersatz für den abgesprungenen Hauptsponsor ist seit Jahren nicht in Sicht.
Denn die Zahl der Unternehmen, die sich für Kultursponsoring-Aktivitäten gewinnen lassen, schrumpft seit Jahren. 2015 stieg dann auch noch die Merziger Firma Kohlpharma generell aus der Kulturförderung aus. Also sparen bis zur Agonie- Grenze? Lautet so die Leitlinie für saarländische Kulturleute und wie will man damit neue Kräfte gewinnen? Die Regierungschefin hat die Gefahr begriffen. Saarbrücken. Annegret KrampKarrenbauer mag es nicht, dass der Eindruck entstanden sei, „im Saarland werde das Thema Klassik durch Pop ersetzt“. Schließlich gebe es hier eine breite Klassik-Szene. Und also habe sie einen Weg gesucht, „zu zeigen, dass Förderung für beides gehen kann.“Zwar hat die Ministerpräsidentin gestern nun tatsächlich die Förder-Absage für 2017 an den Musikfestspiele-Chef Robert Leonardy versandt. Was dort zu einem Etat-Loch von etwa 200 000 Landes-Euro führt. Doch Neues soll 2018 wachsen, ebenfalls im Festival-Format. Dafür hat sich die Ministerpräsidentin selbst ins Zeug gelegt, hat für die Basisfinanzierung einer KlassikBiennale gesorgt. Sie ist modellgleich gedacht zu der des neuen Popfestivals, das im Wechsel stattfindet; erstmals 2017. Doch während das Popfestival 100 000 Euro aus dem Kultusministerium bekommt, wird der neuen Klassikerfindung mit Staatskanzlei-Mitteln auf die Beine geholfen. Alle zwei Jahre sollen etwa 127 000 Euro fließen, zunächst ist an zwei Ausgaben bis 2020 gedacht. Gelenkt werden die Fördergelder über den von Kramp-Karrenbauer gestern angekündigten KulturVerstärkungsfonds. Von Saartoto erwartet die Ministerpräsidentin wie für das Popfestival 150 000 Euro, aus dem Wirtschaftsministerium (Tourismusförderung) 100 000 Euro. Sprich, sie pocht auf Gleichbehandlung. Kalkuliert ist der Klassikbiennale- Gesamtetat inklusive Sponsoren- und Eintrittsgeldern auf 750 000 Euro.
Leonardy kann mitmachen „Wir machen uns jetzt auf die Suche nach neuen Ideen“, sagt Kramp-Karrenbauer. Gedacht ist an einen Wettbewerb der Konzepte. Das Profil sei völlig offen, so die Regierungschefin. Die einzige Voraussetzung laute: Die Klassikbiennale müsse neue Impulse liefern und Festivalformat haben. Kramp-Karrenbauer nennt als Beispiel einen „Musiksommer“, den es so bisher noch nicht gebe. Bewerben können sich laut KrampKarrenbauer nicht nur Personen, sondern auch Institutionen, etwa das Staatstheater – und auch Leonardy, wenn er denn Neues liefere. ce