Merkels Ritt auf der Rasierklinge
Für die CDU steht bei den Wahlen am Sonntag viel auf dem Spiel – Drei Szenarien
Die Bundes-CDU blickt mit großer Spannung nach Mainz, Stuttgart und Magdeburg, wo am Sonntag neue Landtage gewählt werden. Gute Ergebnisse könnte Angela Merkel als Bestätigung ihrer Flüchtlingspolitik verkaufen.
Berlin. In der jüngsten Ausgabe des CDU-Hochglanzmagazins „Union“sind alle drei vereint auf dem Titelbild: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff, die rheinland-pfälzische Spitzenkandidatin Julia Klöckner und der Baden-Württemberger Guido Wolf. „Kämpfen für eine gute Zukunft“, lautet die Schlagzeile. Den Slogan kann man auch so interpretieren: Erfolg oder Misserfolg der Drei bei den Landtagswahlen am kommenden Sonntag werden mit darüber entscheiden, ob Angela Merkels politische Zukunft gut oder ungut aussehen wird. Die Wahlen sind für die Kanzlerin ein Ritt auf der Rasierklinge.
Schon seit Tagen wird innerparteilich darüber diskutiert, was wäre, wenn. . . Drei Szenarien gibt es: Wenn Klöckner die Wahl gewinnt, Wolf mit der CDU vor den Grünen liegt und Haseloff sein Amt behält, wäre dies politisch für Merkel wunderbar. Denn diese drei Siege kann sie dann in eine Bestätigung ihrer Flüchtlingspolitik ummünzen. Das würde Ruhe in ihre aufgewühlte Partei bringen, auch der ständig querschießenden CSU den Wind etwas aus den Segeln nehmen. Und: Merkel könnte gelassen die Erfolge der AfD damit abtun, dass sich rechte Parteien in den Parlamenten meist selbst entzaubern und dass der Alternative langsam die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Flüchtlinge, einziges AfD-Thema, kommen seit Tagen nämlich kaum noch nach Deutschland.
Ob dieses rosarote CDU-Szenario eintreten wird, muss bezweifelt werden. Denn die letzten Umfragen sagen etwas anderes aus. Die Stimmung in der Union ist gespannt bis angespannt. Man hofft, man bangt. „Die Lage ist keine ganz einfache“, heißt es aus Parteikreisen. Zwar gebe es durchaus beachtliche Fortschritte in der Flüchtlingsfrage, inwieweit die aber noch bei den Landtagswahlen verfangen, vermag keiner zu sagen. Deswegen stellen sich Merkels Strategen auch auf andere Lagen ein.
Szenario zwei: Wird Klöckner Ministerpräsidentin – was ein historisches Ereignis nach 25 Jahren SPD-Regierung wäre – und Haselhoff bleibt im Amt, aber Wolf scheitert krachend, könnte Merkel trotzdem frohlocken. Dann wird die Schuld für die Niederlage ins Ländle geschoben. Der dortige grüne Mi- nisterpräsident Winfried Kretschmann steht der Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik sowieso viel näher als Unions-Spitzenmann Wolf. Gleichwohl hat die Rechnung eine Unbekannte: Das ist die baden-württembergische CDU. Aus ihrem Kreis wird schon länger mit dem Finger auf Berlin gezeigt und auch Merkels Flüchtlingspolitik für das Sinken der Umfragewerte verantwortlich gemacht. Nach einer Niederlage könnte sich der Ärger im Landesverband gegenüber Berlin entladen. So auch in der Bundestagsfraktion der Union, in der 43 Abgeordnete aus dem Ländle sitzen.
Damit rechnen muss Merkel erst Recht, wenn alle Hoffnungen zerplatzen – Klöckner verliert, Wolf verliert, nur Haseloff schleppt sich vielleicht noch über die Ziellinie. Szenario drei. Dann könnte ein regelrechter Sturm der Kritik über die Kanzlerin hereinbrechen. Auch aus Bayern. Merkel weiß das, wie zu hören ist. Doch sie hat einen Trumpf in der Hand. Es gibt kein berechenbares Ausstiegsszenario, um sie loszuwerden. Zwar beginnen die ersten Abgeordneten schon, sich Sorgen um ihre politische Zukunft zu machen, sollte die AfD bis zur Bundestagswahl 2017 auf dem Vormarsch bleiben.
Doch wer Merkel jetzt stürzt und Neuwahlen riskiert, riskiert erst recht seinen Job. Davon, so ist man sich in der Union sicher, würde allein die AfD profitieren. Und das will im politischen Berlin nun wirklich keiner.