Mehr Tiefe für das Abitur
Was sich an der gymnasialen Oberstufe im Saarland ändern muss
Früher war alles besser. Dieser etwas abgedroschene Spruch ist nicht immer falsch: Zumindest gilt er in Teilen für das saarländische Abitur. Im Jahr 2007 wurde die gymnasiale Oberstufe grundlegend reformiert. Das Ziel des damaligen Bildungsministers Jürgen Schreier (CDU) war durchaus ehrenwert: Mehr Gewicht sollte auf die Allgemeinbildung in Kernfächern gelegt werden. Wo bisher selbst Sport als Leistungskurs gewählt werden konnte, kam sie zu kurz. An Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache als Abi-Prüfungsfach kommt seitdem keiner mehr vorbei. Auch wurde die Zahl der Prüfungen von vier auf fünf erhöht – das saarländische Abitur in der Theorie wertvoller.
Gut gemeint ist aber nicht immer gut gemacht. Wo mehr Allgemeinbildung erreicht werden sollte, ging Studierfähigkeit verloren. In den fünfstündigen Erweiterungs-Kursen ist das Niveau im Vergleich zu den früheren Leistungskursen gesunken – klagen nicht nur Lehrerverbände. Das ist nachvollziehbar: Denn wenn für die zwei fünfstündigen Erweiterungs-Kurse (E-Kurse) nur zwischen Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache gewählt werden kann, ist klar, dass sich dort nicht nur die Talentiertesten tummeln. Wer nur aus Not Mathematik als EKurs wählt, um nicht Englisch nehmen zu müssen, kann mit leistungsstarken Schülern kaum mithalten. Das bremst das Ni-
GLOSSE veau. Die Folgen: Die Universitäten klagen – allerdings nicht erst seit dieser Oberstufen-Reform – über abnehmende Mathematikkenntnisse von Studienanfängern. Die Nachteile bekommen saarländische Schüler zu spüren. Treffen sie im Studium einer Naturwissenschaft auf Mitstudenten, die in ihrem Bundesland Biologie, Chemie oder Physik in Leistungskursen vertiefeln konnten, hinken sie hinterher.
Das Rad muss nicht komplett zurückgedreht werden. Doch die Veränderungen, wie sie das Bildungsministerium nun prüft, sind überfällig. Die Auswahl bei den E-Kursen muss größer werden, auch besondere Neigungen in Natur- und Gesellschaftswissenschaften sollten durch Vertiefung gefördert werden.
Ein weiteres Problem, das Minister Ulrich Commerçon anpacken sollte, ist die Auswahl der Fremdsprachen. Schüler können derzeit ab der zehnten Klasse eine Fremdsprache abwählen, jedoch nicht die dritte – meist Spanisch. Da bei vielen Englisch als unverzichtbar gilt, wird ausgerechnet Französisch regelmäßig gestrichen. Zumal es der Stundenplan ab Klasse 11 gar nicht mehr zulässt, alle drei Sprachen zu behalten. Welch ein Widerspruch zur FrankreichStrategie der Landesregierung!
Ruhe an der Bildungsfront ist seit Jahren ein Mantra. Doch wo Änderungen notwendig sind, darf kein Stillstand herrschen. Und ein kleiner Schritt zurück kann auch Fortschritt bedeuten.