Draghi schafft Zinsen ab
Europäische Zentralbank verschärft ihren Kurs gegen die Mini-Inflation
EZB-Präsident Mario Draghi scheint jedes Mittel recht, um die Inflation anzuschieben. Gestern hat er die Geldpolitik nochmals stark gelockert. Vor allem in Deutschland gibt es viel Kritik an Draghis Vorgehen.
Frankfurt. Mario Draghi, Europas oberster Währungshüter, zeigt sich entschlossen, der Mini-Inflation mit aller Macht die Stirn zu bieten. „Wir werden nicht vor der niedrigen Inflation kapitulieren“, betont der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB). Und er lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass der Werkzeugkasten der Notenbank noch lange nicht ausgeschöpft ist. Doch die Zweifel an der Wirksamkeit der lockeren Geldpolitik kann Draghi nicht zerstreuen.
Noch niedrigerer Leitzins, noch höhere Strafzinsen für Bankeinlagen, noch mehr Milliarden für Anleihenkäufe – es ist ein nie da gewesenes Paket. Die Währungshüter senkten den Leitzins von 0,05 auf null Prozent. Statt 0,3 Prozent müssen Geschäftsbanken künftig 0,4 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld kurzzeitig bei der EZB parken. Und die Zentralbank pumpt noch mehr Geld in den Markt, indem sie ab April nun monatlich 80 statt wie bisher 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren investiert. Das Programm soll bis mindestens Ende März 2017 laufen mit einem Gesamtvolumen von dann insgesamt 1,74 Billionen Euro. Mit diesem bisher einmaligen Maßnahmenbündel will die EZB die Kreditvergabe ankurbeln und so Konjunktur und Inflation anschieben.
Bislang kommt das viele billige Zentralbankgeld aber nicht im gewünschten Maß in der Wirtschaft an. Die Konjunktur im Euroraum erholt sich nur schleppend, die Inflation ist nach wie vor im Keller. Im Februar waren die Verbraucherpreise sogar wieder gefallen. Viele Ökonomen halten das vor allem für eine Folge der niedrigen Ölpreise und raten zu mehr Gelassenheit. Die EZB male die Konjunkturaussichten „unnötig schwarz“, findet Andreas Bley, Chefvolkswirt des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken. „Die Wirtschaft im Euroraum bleibt auf Erholungskurs. Die aktuelle Inflationspause ist gut für die Konjunktur. Das billige Öl ist ein Kaufkraftverstärker und belebt den Konsum.“Spätestens 2017 werde die Teuerung wieder anziehen. „Die wirtschaftlichen Risiken werden von EZB überzeichnet“, erklärt Bley.
Dazu kommt: Der Reformeifer in manchem Euro-Krisenland ist erlahmt, weil sich die Regierungen auf das billige Geld aus Frankfurt verlassen. „Wirtschaftsreformen sowie die Sanierung von Bankbilanzen werden verschleppt. Doch auf all diesen Feldern hat die EZB noch einmal eine Schippe draufgelegt“, kritisiert Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes BdB. dpa
Mario Draghi gibt sich entschlossen und scheint doch mit seiner Weisheit am Ende zu sein. Die Geldpolitik, die der Präsident der Europäischen Zentralbank unbeirrt vertritt, lässt weder die Inflation anziehen noch schiebt sie die Wirtschaft an. Stattdessen wachsen die Gefahren. Verschuldete Staaten verschleppen Reformen,