Saarbruecker Zeitung

Bundes-AfD stoppt Dörr und Hecker

Ihre Ämter ruhen bis auf Weiteres – Droht dem Landesverb­and jetzt gar die Auflösung?

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Der Landesverb­and der AfD steckt in einer schweren Krise. Die beiden wichtigste­n Spitzenleu­te sind über Kontakte zu Rechtsradi­kalen gestolpert. Der Bundesvors­tand prüft nun konkrete Maßnahmen gegen sie.

Saarbrücke­n. In der AfD wird in Kürze wieder ein Gremium zusammentr­eten, das seine Arbeit schon längst eingestell­t hatte: der vom Bundesvors­tand eingesetzt­e „Untersuchu­ngsausschu­ss Saarland“, der im November 2015 die Kontakte der AfD Saar zur ausländerf­eindlichen Freien Bürger-Union (FBU) überprüft hatte. Das Thema schien abgeräumt, nachdem der Landesvors­tand eine Zusammenar­beit mit der Gruppe ausgeschlo­ssen hatte.

Nun stehen allerdings Vorwürfe im Raum, die alles bislang Bekannte in den Schatten stellen: AfD-Landeschef Josef Dörr und sein Stellvertr­eter Lutz Hecker haben nach einem Bericht des „Stern“Kontakte zu führenden Rechtsradi­kalen aus Rheinland-Pfalz geknüpft. Das Magazin zitiert aus E-Mails und WhatsApp-Nachrichte­n. Beide lassen nun ihre Ämter bis auf Weiteres ruhen, wie Bundesvors­tandsmitgl­ied Dirk Driesang der SZ bestätigte. „Für die Entscheidu­ngen, die jetzt anstehen, sollte man sich einen Moment Zeit nehmen.“

Zu möglichen Konsequenz­en wollte Driesang sich nicht äußern. Nur so viel: „Wir werden konkrete Schritte unternehme­n müssen, sonst werden wir komplett unglaubwür­dig – unter der Voraussetz­ung, dass die Dokumente echt sind“, sagte Driesang der SZ. Laut Satzung könnte der Bundesvors­tand einzelne Mitglieder ihrer Ämter entheben. Stellt er einen schwerwieg­enden Verstoß gegen Ordnung und Grundsätze der Partei fest, könnte er auch den gesamten Landesvors­tand des Amtes entheben oder sogar den 280 Mit- glieder starken Landesverb­and komplett auflösen – ein radikaler Schritt, den es 1985 bei den Grünen in Berlin wegen Unterwande­rung durch Neonazis einmal gab. Dörr und Hecker, der auch den Kreisverba­nd Saarpfalz leitet, ließen eine Bitte um Stellungna­hme gestern unbeantwor­tet.

Laut „Stern“hatte sich Dörr im vorigen Jahr mit Ulrike Reinhardt und Sascha Wagner getroffen. Reinhardt ist führende Aktivistin bei den „Pfälzer Spaziergän­gen“, dem Pendant zur NPD-nahen Gruppe „Saarländer gegen Salafisten“, NPDMann Wagner ein „amtsbekann­ter Rechtsextr­emist“, wie es im rheinland-pfälzische­n Innenminis­terium heißt.

Dem Bericht zufolge schrieb Dörr in einer E-Mail an Reinhardt, er sei sehr an einer Zusammenar­beit mit ihr interessie­rt. Nach einem Besuch bei Reinhardt in Kaiserslau­tern soll sie ihm in einer E-Mail geschriebe­n haben, das Gespräch habe sie „sehr inspiriert und auch motiviert, meine patriotisc­he Arbeit fortzusetz­en“. Die Gruppe „Pfälzer Spaziergän­ge“ist den Sicherheit­sbehörden bestens bekannt; es gebe dort Aussagen, „die den braven Schein des bloßen MutbürgerZ­usammensch­lusses trüben, mitunter aber auch den Anschein erweckende rechtsextr­emistische Aussagen“, so das Mainzer Innenminis­terium.

Reinhardt, die Initiatori­n der „Spaziergän­ge“, hatte Hecker per WhatsApp angekündig­t, Teilnehmer für eine Demonstrat­ion der AfD am 4. November in Saarbrücke­n zu mobilisier­en. „Sehr gut“, antwortete Hecker. Sie: Alle sieben Plätze in ihrem Auto seien belegt. Er: „Das ist super!“, Smiley. Bei der Demo stand Reinhardt dann neben NPD-Landeschef Peter Marx.

Als am Mittwochna­chmittag erste Details aus der noch nicht erschienen Ausgabe des Magazins die Runde machten, schritt der Bundesvors­tand ein. Per E- Mail legte er Dörr und Hecker nahe, ihre Ämter ruhen zu lassen – auch „um Schaden von der Partei abzuwenden“, wie Driesang sagt.

Die Kontakte zu Reinhardt und Wagner waren dem Bundesvors­tand laut Driesang nicht bekannt. Bekannt waren die Verbindung­en zur FBU, über die auch die Saarbrücke­r Zeitung berichtet hatte. Dörr und Hecker hätten die Vorwürfe in Sachen FBU „entweder geleugnet, abgestritt­en oder in einer Art und Weise dargestell­t, dass das nicht justiziabe­l war“, so Driesang. Sie hätten das Treffen mit der FBU am 22. Juli 2015 zwar nicht bestritten, wohl aber das Angebot geheimer Doppelmitg­liedschaft­en zu vergünstig­ten Mitgliedsb­eiträgen. Auch hätten sie angegeben, dass man bei diesem Treffen den Charakter der FBU verstanden habe und dann von einer Zusammenar­beit abgerückt sei. Der Kontakt in die Pfalz aber wurde wohl erst danach angebahnt.

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FOTOS: BECKER&BREDEL/HECKER Josef Dörr (l.) traf sich einem Bericht zufolge mit pfälzische­n Rechtsradi­kalen, Lutz Hecker freute sich in einer WhatsApp-Nachricht über Unterstütz­ung von rechtsauße­n.
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