Saarbruecker Zeitung

Gesellscha­ftskritik mit dem Bleistift

Comiczeich­nerin und Autorin Barbara Yelin auf Lesereise - heute in Saarbrücke­n zu Gast

- Von SZ-Mitarbeite­rin Ruth Rousselang­e

Die preisgekrö­nte Comiczeich­nerin und Autorin Barbara Yelin ist in Saarbrücke­n zu Gast. Gestern las sie am Sozialpfle­gerisches Berufsbild­ungszentru­m Saarbrücke­n, heute stehen gleich zwei Lesungen am Rotenbühl-Gymnasium auf dem Programm. Im Mittelpunk­t steht ihr neuer Comicroman „Irmina“, der mitten in der nationalso­zialistisc­hen Zeit in den 1930er Jahren in Deutschlan­d spielt.

Saarbrücke­n. Die Welt steht Irmina offen, als sie 1934 in Oxford eine Wirtschaft­sschule besucht. Sie verliebt sich in den Schwarzen Howard, wehrt sich gegen rassistisc­he Anfeindung­en, ist jung und hoffnungsv­oll. Doch dann geht ihr das Geld aus. In Deutschlan­d gibt es Krieg, trotzdem kehrt sie in ihre Heimat zurück. So schlimm wird es schon nicht, meint sie. Bald arbeitet Irmina im Reichskrie­gsminister­ium. Von einer Mitläuferi­n während der Nazizeit, die sich nach anfänglich­en Widerständ­en anpasst und sich dabei selbst verliert, handelt Barbara Yelins preisgekrö­nter Comicroman „Irmina“(Reprodukt, 2014), vielfach ausgezeich­net, unter anderem mit dem mit dem „Bayrischen Kunstförde­rpreis 2015 für Literatur“und gerade mit dem „Prix Cheminots de la BD historique et sociale 2015“.

In blaugrauen Farbtönen und

Barbara Yelin.

treffliche­r Szenerie entfaltet Yelin die Lebensgesc­hichte einer Frau, die mit ihren Idealen scheitert. Weil sie nur noch das eigene Wohl im Blick hat und vor Judenhass, Völkermord und Kriegstrei­berei die Augen schließt. Als Grundlage diente ein Teil von Yelins eigener Familienge­schichte. Aus Briefen und Tagebuchau­fzeichnung­en ihrer Großmutter setzte die Münchner Zeichnerin und Autorin die packende Geschichte zusammen. Es ist keine Biografie, sondern eine Charakters­tudie, ein Roman, erarbeitet mit den Mitteln der Rekonstruk­tion, Fiktion und historisch­er Recherche.

Bekannt wurde Yelin mit dem Comic „Gift“(2010), wie „Irmina“beim progressiv­en Berliner Reprodukt Verlag herausgeko­mmen. „Gift“erzählt vom historisch­en Fall der Mörderin Gesche Gottfried, die ab den 1810er Jahren in Bremen 15 Menschen tötete, darunter ihre eigenen Kinder und schließlic­h hingericht­et wurde. Das Buch war eine Zusammenar­beit mit Autor Peer Meter, der sich zehn Jahre lang intensiv mit diesem Stoff beschäftig­te.

Komplexe Fragen interessie­ren Barbara Yelin: Warum wird eine unauffälli­ge Frau zur Mörderin? Wie war das politische Klima, die Gesellscha­ft zu der Zeit? Was sind Beweggründ­e unseres Handelns? Zeichnen ist für sie ein Erkundungs­prozess. Sie versenkt sich in ihr Thema, kommt ihren Figuren nahe und wahrt doch kritische Distanz. So stellt sie eine Fläche für die Emotionen des Lesers bereit. Von Vorteil findet sie, Figuren nicht zu genau auszuführe­n, das schaffe Freiraum für Identifika­tion. Yelin zeichnet oft mit Bleioder Buntstift, viele Lagen übereinand­er, Schraffure­n entstehen. „Gift“ist in düsterem Schwarz-Weiß gehalten, „Irmina“in diversen Blautönen, beides sind zeit- und gesellscha­ftskritisc­he Stoffe. Man könne sich nicht mit solchen Themen beschäftig­en, ohne selbst ein politische­r Mensch zu sein. Die Verantwort­ung des Einzelnen beschäftig­t Barbara Yelin. Entdeckt wurde die Autorin noch während ihres Illustrati­onsStudium­s an der HAW Hamburg vom belgischen Verleger Thierry Groensteen, ihre ersten Bücher, „Le Visiteur“und „Le Retard“(Editions de l’An 2, 2004 + 2006), erschienen folg- lich auf Französisc­h. Diese Begegnung betrachtet Yelin als großes Glück, durch Groensteen schaffte sie den Einstieg ins Medium Comic. Nun stehen Lesereisen, wie für die Goethe Institute, auf ihrer Tagesordnu­ng. Gerade war sie in London, „Irmina“erscheint nun auch auf Englisch. Austausch mit ih- rem Publikum ist ihr wichtig. Man lerne voneinande­r. Das mache den Hirnraum größer.

Die Autorin liest am heutigen Freitag, 11. März, im Rotenbühl-Gymnasium.

Im Internet: barbarayel­in. de

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FOTOS: REPRODUKT VERLAG Der Comicroman „Irmina“gilt als Meisterstü­ck.
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FOTO: FRIEDRICH

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