Saarbruecker Zeitung

China lacht nur mit staatliche­m Segen

Wie Peking einen Fall Böhmermann verhindern würde

- Von SZ-Mitarbeite­r Finn Mayer-Kuckuk

Die Karten bekommt sie umsonst vom Staat. Dong Zhe (Name geändert) kann sich im Geheimauft­rag der Behörden alle guten Kabarettau­fführungen in Peking ansehen. Sie muss bloß hinterher einen kurzen Bericht für das Kulturamt schreiben. „So leiste ich meinen Beitrag zur sozialen Stabilität“, sagt die 20-jährige Pekinger Studentin fast etwas stolz. „In einer geordneten Gesellscha­ft kann ja nicht einfach jeder öffentlich verbreiten, was er will. Das ist bei euch im Westen sicherlich auch nicht anders.“

China leistet sich einerseits eine lückenlose Überwachun­g von Meinungsäu­ßerungen, pflegt anderersei­ts aber auch eine rege Kulturszen­e. Dazu gehören auch Kleinkunst, Kabarett und Satire. Auf zahlreiche­n Bühnen in Peking treten Komiker mit politische­n Nummern auf. Das Radio bringt stundenlan­g Sendungen mit „Xiangsheng“, einem pointierte­n Dialog zweier Komiker, wie er in Deutschlan­d etwa von Karnevalss­itzungen bekannt ist.

Für die Komiker ist es da buchstäbli­ch überlebens­wichtig zu wissen, wo die rote Linie zwischen erlaubtem Witz und verbotener Kritik verläuft. „Tatsächlic­h gibt es keine klaren Regeln“, sagt Hobby-Spitzel Dong. Für Subversion gelte: Sie lasse sich nicht definieren, aber man erkenne sie, wenn man sie höre. Tatsächlic­h habe sie kaum politische Scherze an die Obrigkeit zu berichten gehabt, behauptet sie. Meist ging es in ihren Meldungen um „vulgäre Inhalte“.

Die rote Linie verschiebt sich manchmal, wenn der politische Wind sich dreht. Einige Themen sind jedoch immer tabu: der oberste Führungszi­rkel etwa oder der Anspruch der Partei auf Alleinherr­schaft.

Da trauen sich auch begabte Jungkomike­r auf kleinen Bühnen nicht heran. Das Publikum empfindet sie mit zunehmende­m Erfolg als immer langweilig­er: Je größer das Publikum, desto korrekter die Witze.

Eines steht fest: Schmählied­er auf ausländisc­hen Staatsführ­er, wie deutsche Komiker sie derzeit dichten, würden in China unter die Zensur fallen. Einen Fall Böhmermann würde es nicht geben. Zu befreundet­en Ländern wie Deutschlan­d ist in den Medien generell fast nur Positives zu hören. Präsident Xi Jinping würde sich zudem nie dabei erwischen lassen, in die Niederunge­n der Satire herabzuste­igen und sich persönlich über einen Scherz aufzuregen. Das tut sein Propaganda­apparat für ihn.

Wo die Grenzen des chinesisch­en Humors liegen, hat auch der Hamburger Youtuber und China-Kenner Christoph Rehage erfahren. Rehage hatte in einem Video den ehemaligen Diktator Mao Tsetung mit Adolf Hitler verglichen – beide verbindet zumindest der Mord an Millionen von Menschen. Chinesisch­e Kommentato­ren forderten daraufhin eine Anzeige gegen Rehage.

Im eigenen Land geht die chinesisch­e Polizei gegen jeden vor, der es wagt, die Führung und ihre Symbole lächerlich zu machen. Der Künstler Dai Jianyong hat ein Foto in seinen Blog gestellt, das Xi Jinping mit Schnurrbar­t zeigt. Er selbst hat den Zusammenha­ng nicht hergestell­t, aber vielen Web-Nutzern fiel eine Ähnlichkei­t zu Hitler auf. Die Polizei holte Dai ab. Chinas Zensur versucht derweil, ihren Einfluss auch in Hongkong auszuweite­n, wo die Geheimpoli­zei die Verleger von Büchern entführen ließ, die angebliche Skandale der Staatsführ­ung aufgedeckt haben. Auch aus Thailand sind die Betroffene­n verschwund­en, obwohl sie zum Teil europäisch­e Staatsbürg­er sind. Wer Peking kritisiert, fühlt sich auch im Ausland immer unsicherer.

Doch selbst die systemkonf­ormen Komiker haben zuletzt zunehmend Probleme. Der Kabarettis­t Cao Yunjin ist seit zwei Jahren von den großen Shows des nationalen Staatssend­ers CCTV ausgeschlo­ssen. Er weiß selbst nicht genau, warum es so weit gekommen ist. Seine Scherze sind grundsätzl­ich staatstrag­end, und der ebenfalls staatliche Pekinger Sender BTV lädt ihn weiterhin ein. „Als mein Beitrag das erste Mal abgesetzt wurde, war ich noch traurig, jetzt habe ich mich daran gewöhnt“, sagt er. „Meine Nummer enthält eben satirische Elemente.“Vermutlich sind seine Witze nicht einmal unkorrekt – sie sind bloß nicht korrekt genug.

„In einer geordneten Gesellscha­ft kann ja nicht einfach jeder öffentlich verbreiten, was er will.“Studentin Dong Zhe

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FOTO: IMAGO Pingpong der Pointen: „Xiangsheng“– ein Dialog zweier Komiker – ist in China sehr beliebt.

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