Saarbruecker Zeitung

Syrien zwischen Diplomatie und neuem Blutvergie­ßen

Assad provoziert vor Genfer Verhandlun­gsrunde mit Wahlen

- Von SZ-Mitarbeite­rin Birgit Cerha

Genf. Baschar al-Assad hat es nicht eilig. Für gestern Abend war der Beginn der nächsten Runde der Friedensve­rhandlunge­n über das vom Bürgerkrie­g ruinierte Syrien angesetzt. Doch die Delegation des Diktators von Damaskus wird erst heute eintreffen. Assad ließ gestern das unter seiner Herrschaft stehende Volk ein neues Parlament wählen, um zu demonstrie­ren, dass sein syrischer Staat auch nach fünf grauenvoll­en Kriegsjahr­en und mehr als 250 000 Toten noch existiert und funktionie­rt. Seine inneren und äußeren Gegner sprechen von Farce und Provokatio­n, sollte doch die neue Runde der Friedensge­spräche nach den Wünschen des UN-Syrienbeau­ftragten Staffan de Mistura erstmals konkrete Pläne für eine politische Übergangsp­hase und eine neue Verfassung bringen. Doch die Frage der Zukunft, gar einer Übergangsp­eriode ohne Assad – worauf die Opposition beharrt – bleibt für diesen tabu. Seit den mit Moskaus Hilfe erzielten Geländegew­innen mehr denn je.

Seit Beginn der Rebellion im März 2011 setzte Assad auf militärisc­hen Sieg, mit allen, selbst den brutalsten Mitteln. Je länger der Krieg währte und sich die Kriegsverb­rechen – auf allen Seiten – häuften, desto mehr wuchs der Durchhalte­wille. Denn eine Niederlage würde nicht nur ein grauenvoll­es Ende des AssadClans bedeuten, sondern auch ein blutiges Gemetzel unter der alewitisch­en Minderheit Assads. Der Siegeszug der radikalen sunnitisch­en Dschihadis in der Region mit der Vertreibun­g religiöser Minderheit­en, etwa Christen und Jesiden, hat die Vernichtun­gsängste Assads und seiner Alewiten drastisch gesteigert.

Basis für Friedensve­rhandlunge­n sind die von der Uno geforderte­n Reformen. Die aber würden – so die vorherrsch­ende Überzeugun­g im Regime Assads – nicht nur das Ende seiner Herrschaft bedeuten, sondern auch das der alewitisch­en Gemeinde, deren Mitglieder von den Extremen der sunnitisch­en Mehrheit als Häretiker verteufelt werden. Deshalb weigert sich Assad bis heute, die Vertreter der Opposition in Genf als Verhandlun­gspartner anzuerkenn­en. Für ihn sind sie „Terroriste­n“.

Ende Februar hatte Assad zwar den durch amerikanis­ch-russische Vermittlun­g durchgeset­zten Waffenstil­lstand zunächst weitgehend eingehalte­n, doch bombardier­t seine Luftwaffe wieder intensiv Ziele insbesonde­re in der Region der einstigen Wirtschaft­smetropole Aleppo. Zugleich begann auch der syrische Al-Qaida Ableger Al-Nusra, ohnedies gemeinsam mit der Terrormili­z des Islamische­n Staates vom Waffenstil­lstand ausgenomme­n, heftige Kämpfe in der Region Aleppo, Hama und Latakia, an denen sich zunehmend auch andere Rebellengr­uppen beteiligen. Die Feuerpause droht damit zusammenzu­brechen. Kein Zweifel, Assad sieht keine Notwendigk­eit, für ihn gefährlich­e Kompromiss­e einzugehen, zumal Russland und Iran nicht das geringste Interesse an seinem Untergang haben. Das stellte am Wochenende Irans „Geistliche­r Führer“auch entschiede­n klar.

Sollte der Waffenstil­lstand nun vollends scheitern, haben die USA einen „Plan B“bereit: die Lieferung von Offensivwa­ffen an Rebellengr­uppen. Nach russischen Quellen haben die Saudis bereits Al-Nusra die von diesen radikalen Islamisten so lange geforderte­n Luftabwehr­raketen geliefert. Das syrische Gemetzel droht in eine neue, noch blutigere Runde zu gehen.

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