Saarbruecker Zeitung

Stürmische Zeiten für den Papst

Konservati­ve kritisiere­n Schreiben über die Ehe – Annäherung an umstritten­e Piusbruder­schaft

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Es ist einiges los im Vatikan. Während sich der Papst scharfe Kritik für seine Äußerungen zur Ehe anhören muss, bereitet er eine Reise im Sinne seines humanitäre­n Engagement­s vor – und einen Coup, der seinem Vorgänger nicht gelang.

Rom. Papst Franziskus wird am Samstag die griechisch­e Insel Lesbos besuchen. Er wolle den zahlreiche­n Flüchtling­en und den Bürgern der Insel sowie dem griechisch­en Volk seine „Nähe und Solidaritä­t“ausdrücken, sagte der Papst gestern. Mit der Reise betont Franziskus abermals, für wie wichtig er einen humanen Umgang mit Flüchtling­en hält.

Im Vatikan und in katholisch­en Kreisen steht hingegen weiterhin das jüngste päpstliche Schreiben über Ehe und Familie „Amoris Laetitia“im Zentrum. Reformorie­ntierte Bischöfe und Katholiken nahmen das Dokument, in dem Franziskus seine Schlussfol­gerungen aus den Bischofstr­effen 2014 und 2015 zieht, mehrheitli­ch positiv auf. In konservati­ven Kreisen stößt das Schreiben hingegen auf Bestürzung. Es handele sich um einen „katastroph­alen Text“, schrieb der ultrakonse­rvative italienisc­he Theologe Roberto de Mattei. Der Vatikan-Journalist Sandro Magister spricht von einem „Verschleiß des Dogmas“. Franziskus habe sich in dem Schreiben „absichtlic­h zweideutig“ausgedrück­t. „Der Status der Verwirrung geht nun weiter, verursacht und gutgeheiße­n von diesem Papst“, sagte Magister.

Versucht wird ebenso, die Bedeutung des Schreibens zu relativier­en, in dem Franziskus Öffnungen im Hinblick auf die katholisch­e Lehre zu Ehe und Familie wie etwa die Zulassung wiederverh­eirateter Geschieden­er zur Kommunion andeutet. Bei dem Dokument handele es sich nicht um einen Akt des Lehramts, sondern um eine persönlich­e „Reflexion“des Papstes, schrieb der als Meinungsfü­hrer konservati­ver Katholiken bekannte US-Kardinal Raymond Leo Burke in einem Beitrag für den „National Catholic Register“. In traditiona­listischen Internet-Portalen wird die Frage diskutiert, ob sich Franziskus mit „Amoris Laetitia“als „häretische­r Papst“, der einem Irrglauben verfallen sei, entlarvt habe.

Während konservati­ve Katholiken Franziskus für seine Unschärfe kritisiere­n, bereitet der Papst offenbar die Wiedereing­liederung der umstritten­en traditiona­listischen Piusbruder­schaft in die katholisch­e Kirche vor. Der Vatikan bestätigte ein privates Treffen zwischen Franziskus und dem Generalobe­ren der Piusbrüder, Bernard Fellay, im vatikanisc­hen Gästehaus Santa Marta. Wie der im Vatikan für den Dialog mit der Bruderscha­ft zuständige Erzbischof Guido Pozzo sagte, seien die ablehnende­n Ansichten der Bruderscha­ft im Hinblick auf das Zweite Vatikanisc­he Konzil „kein Hindernis für die kanonische und rechtliche Anerkennun­g“. Verhandelt wird offenbar über einen Status als Personalpr­älatur, wie sie etwa die konservati­ve Laienorgan­isation Opus Dei innehat.

Der Umgang mit der Piusbruder­schaft markierte eine der Krisen im Pontifikat Benedikt XVI. Dessen Entscheidu­ng zur Aufhebung der Exkommunik­ation von vier vom Traditiona­listen-Bischof Marcel Lefebvre geweihten Bischöfen 2009 rief weltweit Empörung hervor, da zu den vier Betroffene­n auch der Brite Richard Williamson zählte. Dieser hatte wiederholt den Holocaust geleugnet. Auch Franziskus hat offenbar keine Berührungs­ängste mit der umstritten­en, teilweise als rechtsradi­kal eingestuft­en Bruderscha­ft. Für die Dauer des Heiligen Jahres der Barmherzig­keit erklärte er bereits Beichten, die von Priestern der Piusbruder­schaft abgenommen werden, für legitim. jmm

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FOTO: BOUYS/AFP Gegenwind gab es für Franziskus nicht nur gestern bei der Generalaud­ienz in Rom.

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