Saarbruecker Zeitung

Heißer Streit um Hausbrand für Bergleute

Ex-RAG-Beschäftig­te gegen einmalige Abfindung für Deputatkoh­le – Heute erster Prozess in Herne

- Von SZ-Redaktions­mitglied Michael Aubert

Auf die RAG rollt eine Klagewelle zu. Hunderte frühere Bergleute halten die einmalige Abfindung für zu gering, die sie künftig statt einer jährlichen Kohleliefe­rung erhalten sollen. Bislang beteiligt sich offenbar kein Saarländer an den Klagen. Das kann sich aber ändern.

Saarbrücke­n. Der Kampf um die Kohlegrube­n im Saarland ist zwar vorbei. Der Bergbau ist Geschichte. Doch als Spätfolgen gibt es neue Auseinande­rsetzungen. Es geht um die Neuregelun­g des tarifliche­n Anspruchs auf sogenannte Kohledeput­ate, auf die sich die Industrieg­ewerkschaf­t Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) und der Gesamtverb­and Steinkohle im vergangene­n Jahr verständig­t haben. Tausende ehemalige Bergleute, Rentner und Witwen sind betroffen.

Diese Einigung um den Hausbrand der Bergleute hat nun einen Rechtsstre­it entfacht. Viele ehemalige Bergleute wehren sich dagegen, dass der jährliche Anspruch auf Kohleliefe­rungen in eine einmalige Abfindung umgewandel­t wird. Bis zu 7,5 Tonnen stehen derzeit noch einem aktiven Bergmann pro Jahr zu, 2,5 Tonnen sind es für Rentner.

Heute ist der erste Gerichtste­rmin am Amtsgerich­t Herne, nachdem der Dortmunder Rechtsanwa­lt Daniel Kuhlmann vor einigen Wochen die ersten 50 Klagen an den Arbeitsger­ichten in Herne und Rheine eingereich­t hat. Die Umwandlung des Kohledeput­ats in eine einmalige Abfindung hält er für „juristisch problemati­sch, insbesonde­re bei Rentnern“. Seiner Klagewelle gegen den Bergbaukon­zern RAG haben sich bisher über 400 frühere Bergleute angeschlos­sen. Kuhlmann hat auch eine Mandantenl­iste für Saarländer geöffnet.

Denn abgesehen davon, dass noch einige hundert Saarländer in Ibbenbüren arbeiten, waren nach Angaben der RAG zu Beginn dieses Jahres noch etwa 7000 Saarländer bezugsbere­chtigt. Etwa 4000 von ihnen bezogen zu diesem Zeitpunkt noch Kohle. Dabei hat die RAG seit Mai vergangene­n Jahres die Abfindunge­n gezahlt. Wie hoch die Summe der bereits gezahlten Abfindung ist, darüber will die RAG keine Angaben machen, teilt aber mit, dass es Anfang 2015 noch insgesamt 115 000 Bezugsbere­chtigte gab, davon etwa 15 000 an der Saar.

Dietmar Geuskens, Bezirkslei­ter der IG BCE, sagt: „Nach meinem Kenntnisst­and gibt es hier im Saarland keine einzige Klage.“Für die Gewerkscha­ft sei die Neuregelun­g annehmbar und gerecht. Da ab 2019 keine eigene Kohle mehr gefördert wird, müsste die RAG die Kohle importiere­n, um sie an die Bezugsbere­chtigten zu liefern. Aufgrund des politisch beschlosse­nen Ausstiegs aus dem Steinkohle­nbergbau klingt die Neuregelun­g plausibel, sagt Kuhlmann. Doch sie hätte zur Folge, „dass die Änderungen mit drastische­n Kürzungen der Leistungen, insbesonde­re mit dem Wegfall des Kohledeput­ats verbunden sind“. Dabei ist der Hausbrand „als rentenrech­tlicher Anspruch einzustufe­n“, sagt der Anwalt.

Auf Anfrage der Grünen-Fraktion hatte auch die Bundesregi­erung erklärt, dass für ausgeschie­dene Mitarbeite­r der RAG in puncto Deputate Bestandssc­hutz bestehe. Geuskens stimmt dem zu: „Juristisch ist der Hausbrand als Betriebsre­nte zu sehen.“Diese könne aber einseitig vom Arbeitgebe­r gekündigt werden, „wenn sie geringer als 30 Euro monatlich ist“. So sei das Vergehen der RAG legitim. Nur bei wenigen Rentnern liege die monatliche Energiebei­hilfe darüber. Dann, so Geuskens, bräuchte man deren Einverstän­dnis für die Abfindung.

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FOTO: MAURER Rund 4000 Saarländer beziehen noch Deputatkoh­le.

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