Für eine Grenze beim Gifteinsatz
EU-Parlament fordert Auflagen für Neuzulassung des umstrittenen Glyphosat
Das Europaparlament hat sich für eine weitere Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat ausgesprochen – allerdings nur für sieben und nicht für 15 Jahre, wie von der EU-Kommission geplant.
Brüssel. Die Europa-Abgeordneten haben in dieser Frage zwar nichts zu sagen. Dennoch versuchten sie es gestern, um den Streit um das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat zu entschärfen: „Die Kommission und die Mitgliedstaaten dürfen das Votum nicht ignorieren“, appellierte der Agrarexperte der Grünen-Europa-Fraktion, Martin Häusling, nach dem Beschluss. Es wäre wohl ein Teilsieg. Denn das Votum der Volksvertreter ist rechtlich nicht bindend. Trotzdem forderten sie einen Kompromiss: Statt wie von der Kommission vorgeschlagen für weitere 15 Jahre solle die Genehmigung für das Herbizid nur für sieben Jahre erlassen werden, forderten die Volksvertreter.
Außerdem müsse der private Gebrauch verboten und die Nutzung für Landwirte auf die sogenannten Vorernte-Anwendungen begrenzt werden. Damit ist die Anwendung an Getreide auf Teilflächen gemeint, auf denen – so das Bundeslandwirtschaftsministerium – „aufgrund von Unkrautdurchwuchs eine Ernte sonst nicht möglich“wäre. Bisher erlauben die deutschen Vorschriften außerdem „maximal zwei Behandlungen im Abstand von mindestens 90 Tagen“, bei denen höchstens 3,6 Kilogramm des Wirkstoffes pro Hektar und Jahr versprüht werden dürfen.
Schätzungen zufolge werden rund 40 Prozent der deutschen Ackerflächen mit dem Pflanzenschutzmittel besprüht. Glyphosat wird schon seit 1974 angewendet, doch am Jahresende lief eine Genehmigung für die Nutzung in den EU-Mitgliedstaaten aus. Daraufhin folgte ein heftiger Streit um Gutachten. Das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), das bei dem EU-Verfahren die Federführung innehat, vertritt die Auffassung, dass Glyphosat „bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Anwendung keine Gefahren für Mensch und Tier“birgt. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit
MEINUNG
Hoffentlich hören die Brüsseler Kommission und die Regierungen der EU-Länder auf das Votum des Parlaments. Denn der Kompromiss gibt einerseits den Landwirten einige Jahre Planungssicherheit, berücksichtigt andererseits aber auch die starken Bedenken. Eine Freigabe von Glyphosat für 15 Jahre wäre (EFSA) in Parma/Italien unterstützt die Position. Ganz anders urteilte jedoch die Internationale Krebsforschungsbehörde IARC, die zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört. Deren Experten betonten ausdrücklich, dass es Risiken gebe. Die Gegner erhielten zusätzliche Munition für ihren Kampf gegen Glyphosat durch einen Verbrauchertest, der vor einigen Wochen in Deutschland bekannt wurde: Demnach enthielt ein Großteil der getesteten Biersorten Rückstände des Wirkstoffes.
Die Bundesregierung hat sich offenbar positiv zu einer Neuzulassung geäußert. Das habe das Agrarministerium an die zuständige EU- Generaldirektion geschrieben, heißt es nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“.
Um an die Verantwortung der Europa-Abgeordneten zu appellieren, verschickten Gegner in den vergangenen Tagen Teströhrchen für Urinproben mit der Aufforderung, sich an einer Untersuchung zu beteiligen, die von einem deutschen Labor ausgewertet werde. Angeblich stellten sich 20 Volksvertreter dem Test, wohl auch mit der Absicht, die Kommission mit dem Ergebnis unter Druck zu setzen. Test-Röhrchen bekamen auch Kommissionschef Jean-Claude Juncker sowie Landwirtschaftskommissar Phil Hogan.