Saarbruecker Zeitung

„Wir erleben einen Scheinaufs­chwung“

Gesamtmeta­ll-Präsident Dulger wirft Gewerkscha­ft Realitätsv­erweigerun­g vor

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In der Tarifrunde für die Metallund Elektroind­ustrie haben die Arbeitgebe­r in Nordrhein-Westfalen 1,2 Prozent mehr Lohn angeboten. Voraussich­tlich mit dem gleichen Angebot werden heute die Verhandlun­gen in mehreren Tarifbezir­ken fortgesetz­t – darunter im Bezirk Mitte, zu dem auch das Saarland gehört. Die IG Metall fordert fünf Prozent mehr Geld. Gesamtmeta­ll-Präsident Rainer Dulger wirft der Arbeitnehm­erseite vor, die Realitäten in der Branche zu ignorieren. Mit ihm sprach SZKorrespo­ndent Stefan Vetter.

In diesem Jahr gilt eine Lösung des Tarifkonfl­ikts mit der IG Metall als besonders schwierig. Woran liegt das? Dulger: Wir wollen zu einer raschen Einigung kommen. Deswegen haben wir auch bereits in der zweiten Verhandlun­gsrunde ein konkretes Angebot vorgelegt. Richtig ist aber auch, dass die Stimmung im Lager der Arbeitgebe­r deutlich gereizter als bei früheren Verhandlun­gsrunden ist. Denn die wirtschaft­liche Situation hat sich verändert. Viele unserer Mitglieder sagen, der Abschluss im vergangene­n Jahr, damals waren es 3,4 Prozent mehr, ist zu hoch zu ausgefalle­n. Das kann so nicht weitergehe­n.

Ist das angebotene Plus von 1,2 Prozent nicht trotzdem sehr mickrig angesichts der insgesamt guten Wirtschaft­slage? Dulger: Das Angebot mag deutlich unter dem liegen, was sich viele Mitarbeite­r wünschen und die IG Metall gefordert hat. Das liegt aber daran, dass die IG Metall ihre Forderung nicht an der wirtschaft­lichen Realität orientiert, sondern mit 90 Prozent heißer Luft künstlich aufgeblase­n hat. Das Problem ist nicht, dass wir zu wenig bieten, sondern, dass die IG Metall zu viel fordert.

Die Gewerkscha­ft verweist auf gute Geschäfte und hohe Renditen. Das klingt nicht nach Krise. Dulger: Bei aller wohlwollen­den Rechnung, unser Angebot ist auf den Verteilung­sspielraum bezogen und schöpft ihn voll aus. Es gibt eben nur 0,3 Prozent Inflation und nur eine Trendprodu­ktivität von 0,6 Prozent. Die Forderung der IG Metall dagegen ist ein Höhenflug, der in der aktuellen Situation nicht nachvollzi­ehbar ist.

Eine deutliche Mehrheit der Unternehme­n beurteilt ihre Auftragsla­ge als stabil bis sehr gut ... Dulger: Was wir derzeit erleben, ist ein Scheinaufs­chwung. Wir haben einen niedrigen Euro, niedrige Zinsen und niedrige Ölpreise. Für uns als Exportnati­on sind das hervorrage­nde Bedingunge­n, um gute Geschäfte zu machen. Darauf beruht gegenwärti­g unser Wettbewerb­svorteil. Nicht, weil wir so viel besser sind als die Konkurrenz. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass dieser Wettbewerb­svorteil dauerhaft so bleibt und wir immer weiter Löhne und Gehälter erhöhen. Wenn sich da was ändert, kriegen wir alle große Kopfschmer­zen.

Sie klagen auf hohem Niveau. Eine Zinswende ist jedenfalls genauso wenig in Sicht wie eine deutliche Aufwertung des Euro. Dulger: Ein Tarifabsch­luss ist immer ein Wechsel auf die Zukunft, die keiner genau voraussehe­n kann. Deshalb setzen wir ein klares Signal, indem wir sagen, die Verteilung­sspielräum­e werden ausgenutzt. Nämlich 0,9 Prozent. Und es gibt noch eine Einmalzahl­ung obendrauf, um die Zukunft nicht durch eine dauerhafte, lineare Lohnerhöhu­ng zu sehr zu belasten. Die insgesamt 1,2 Prozent sind ein Ausdruck dafür, wie verunsiche­rt die Branche ist. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gibt es Unternehme­n, die bereits kurzarbeit­en, und viele, die Kurzarbeit planen. Denen fehlen die Aufträge.

Befürchten Sie bald Arbeitskäm­pfe? Dulger: Dazu ist es noch zu früh. Auch wissen wir ja nicht, was die IG Metall noch plant.

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Rainer Dulger

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