Promi-Räuber hält London in Atem
Serien-Einbrecher narrt britische Polizei – Beute im Wert von zwölf Millionen Euro
Er kommt und geht, ohne Spuren zu hinterlassen, ohne seine Opfer zu verletzen. Ein scheinbar unsichtbarer Einbrecher treibt die britische Polizei mit mehr als 200 Delikten in zehn Jahren an den Rand der Verzweiflung.
London. Von Robin Hood über die „Pink Panther“Juwelenräuberbande bis hin zum 2013 verstorbenen legendären Posträuber Ronald Biggs: Seit jeher regen schlitzohrige Wegelagerer oder fintenreiche Räuber die Fantasie der Menschen an. Vor allem in Großbritannien mit seiner Krimi-Kultur und seinen legendären Detektivfiguren findet sich ein breites Publikum, das nicht selten Sympathie für die Missetäter empfindet. Jetzt haben sie einen neuen Star: Der schier unfassbare „Wimbledon Prowler“führt die Polizei in Londons reichem Südwesten an der Nase herum.
„Prowler“bedeutet Herumtreiber. Nur, dass der Gesuchte äußerst kontrolliert und planvoll vorgeht. Statt sich „herumzutreiben“, treibt er die Polizei vor sich her. „Im Königreich reicht keiner an ihn heran“, sagt Ermittler Dan O’Sullivan mit Blick auf den langen Tatzeitraum und den Beutewert. Mehr als 200 Einbrüche binnen einer Dekade soll das Phantom begangen haben. Der Gesamtwert seiner Beute beläuft sich laut O’Sullivan auf mehr als zwölf Millionen Euro: teuerstes Stück sei eine Rolex Submariner von 1955 im Wert von rund 500 000 Pfund gewesen.
Auch die Liste seiner Opfer ist schillernd. Auf ihr finden sich unter anderen Tennislegende Boris Becker und Fußballstar Nicolas Anelka. Bei keinem der Einbrüche wurden Opfer körperlich beeinträchtigt. „Er kommt und geht, aber bisher gab es niemals Anzeichen von Gewalt“, sagt ein Opfer. „Es bringt uns nicht um den Schlaf, aber wir hoffen, dass er gefasst wird.“Das dürfte noch dauern, denn die Polizei tappt im Dunkeln und hofft auf Kommissar Zufall.
„Das Gesetz der Wahrscheinlichkeit sagt, das man eines Tages einen Fehler macht“, sagt O’Sullivan und räumt ein: „Aber bisher sind wir ihm nie auf die Schliche gekommen“Auch die Medienberichterstattung und Zeugenaufrufe im März liefen bislang ins Leere. Zwischen September und Anfang dieses Jahres hatte der Unbekannte mit drei bis vier Einbrüchen pro Woche eine besonders dreiste Serie hingelegt. Das sei typisch für sein Vorgehen, sagt der Ermittler. „20 bis 30 Jobs verteilt über ein paar Monate“und dann wieder abtauchen, erklärt O’Sullivan.
Die Ermittler haben ein Profil erstellt: Demnach handelt es sich vermutlich um einen Mittdreißiger mittlerer Körpergröße, der athletisch, umtriebig, organisiert, diszipliniert und wahrscheinlich auch mit polizeilicher Ermittlungsarbeit vertraut ist. Es gebe nie Spuren wie etwa Fingerabdrücke. Auch wisse er über Standorte von Überwachungskameras Bescheid und verberge sein Gesicht hinter seiner Hand. Möglicherweise handele es sich um einen ehemaligen Soldaten, glaubt O’Sullivan. „Er ist vermutlich einer der zehn Prozent von Einbrechern, die ihre Taten planen“, sagt der ehemalige Polizist Calvin Beckford, der die „Crime Prevention Website“betreibt. „Dieser Typ ist sehr vorsichtig, sicherheitsbewusst, und er nimmt sich Zeit für Beobachtungen, verringert das Risiko gesehen zu werden.“
O’Sullivan geht davon aus, dass den Täter nicht nur das Geld zur Tat treibt. Möglicherweise sei es auch der „Kick“, der „Nervenkitzel“, der ihn leite. Gerade sei er abgetaucht. „Wir warten auf ihn und werden bereit sein für ihn“, sagt der Kommissar. Denn wie für den Gesuchten sei auch für die Polizei der „Nervenkitzel der Jagd“motivierend. „Eines Tages werden wir Glück haben.“