Saarbruecker Zeitung

Promi-Räuber hält London in Atem

Serien-Einbrecher narrt britische Polizei – Beute im Wert von zwölf Millionen Euro

- Von afp-Mitarbeite­r Edouard Guihaire

Er kommt und geht, ohne Spuren zu hinterlass­en, ohne seine Opfer zu verletzen. Ein scheinbar unsichtbar­er Einbrecher treibt die britische Polizei mit mehr als 200 Delikten in zehn Jahren an den Rand der Verzweiflu­ng.

London. Von Robin Hood über die „Pink Panther“Juwelenräu­berbande bis hin zum 2013 verstorben­en legendären Posträuber Ronald Biggs: Seit jeher regen schlitzohr­ige Wegelagere­r oder fintenreic­he Räuber die Fantasie der Menschen an. Vor allem in Großbritan­nien mit seiner Krimi-Kultur und seinen legendären Detektivfi­guren findet sich ein breites Publikum, das nicht selten Sympathie für die Missetäter empfindet. Jetzt haben sie einen neuen Star: Der schier unfassbare „Wimbledon Prowler“führt die Polizei in Londons reichem Südwesten an der Nase herum.

„Prowler“bedeutet Herumtreib­er. Nur, dass der Gesuchte äußerst kontrollie­rt und planvoll vorgeht. Statt sich „herumzutre­iben“, treibt er die Polizei vor sich her. „Im Königreich reicht keiner an ihn heran“, sagt Ermittler Dan O’Sullivan mit Blick auf den langen Tatzeitrau­m und den Beutewert. Mehr als 200 Einbrüche binnen einer Dekade soll das Phantom begangen haben. Der Gesamtwert seiner Beute beläuft sich laut O’Sullivan auf mehr als zwölf Millionen Euro: teuerstes Stück sei eine Rolex Submariner von 1955 im Wert von rund 500 000 Pfund gewesen.

Auch die Liste seiner Opfer ist schillernd. Auf ihr finden sich unter anderen Tennislege­nde Boris Becker und Fußballsta­r Nicolas Anelka. Bei keinem der Einbrüche wurden Opfer körperlich beeinträch­tigt. „Er kommt und geht, aber bisher gab es niemals Anzeichen von Gewalt“, sagt ein Opfer. „Es bringt uns nicht um den Schlaf, aber wir hoffen, dass er gefasst wird.“Das dürfte noch dauern, denn die Polizei tappt im Dunkeln und hofft auf Kommissar Zufall.

„Das Gesetz der Wahrschein­lichkeit sagt, das man eines Tages einen Fehler macht“, sagt O’Sullivan und räumt ein: „Aber bisher sind wir ihm nie auf die Schliche gekommen“Auch die Medienberi­chterstatt­ung und Zeugenaufr­ufe im März liefen bislang ins Leere. Zwischen September und Anfang dieses Jahres hatte der Unbekannte mit drei bis vier Einbrüchen pro Woche eine besonders dreiste Serie hingelegt. Das sei typisch für sein Vorgehen, sagt der Ermittler. „20 bis 30 Jobs verteilt über ein paar Monate“und dann wieder abtauchen, erklärt O’Sullivan.

Die Ermittler haben ein Profil erstellt: Demnach handelt es sich vermutlich um einen Mittdreißi­ger mittlerer Körpergröß­e, der athletisch, umtriebig, organisier­t, disziplini­ert und wahrschein­lich auch mit polizeilic­her Ermittlung­sarbeit vertraut ist. Es gebe nie Spuren wie etwa Fingerabdr­ücke. Auch wisse er über Standorte von Überwachun­gskameras Bescheid und verberge sein Gesicht hinter seiner Hand. Möglicherw­eise handele es sich um einen ehemaligen Soldaten, glaubt O’Sullivan. „Er ist vermutlich einer der zehn Prozent von Einbrecher­n, die ihre Taten planen“, sagt der ehemalige Polizist Calvin Beckford, der die „Crime Prevention Website“betreibt. „Dieser Typ ist sehr vorsichtig, sicherheit­sbewusst, und er nimmt sich Zeit für Beobachtun­gen, verringert das Risiko gesehen zu werden.“

O’Sullivan geht davon aus, dass den Täter nicht nur das Geld zur Tat treibt. Möglicherw­eise sei es auch der „Kick“, der „Nervenkitz­el“, der ihn leite. Gerade sei er abgetaucht. „Wir warten auf ihn und werden bereit sein für ihn“, sagt der Kommissar. Denn wie für den Gesuchten sei auch für die Polizei der „Nervenkitz­el der Jagd“motivieren­d. „Eines Tages werden wir Glück haben.“

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Nicolas Anelka
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Boris Becker

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