Saarbruecker Zeitung

Das Böse in uns allen

Neu im Kino: „Fritz Lang“von Gordian Maugg – Beklemmend­er Spielfilm, der Dichtung und Wahrheit verwebt

- Von Tobias Kessler

Berlin 1930. Fritz Lang, der Großmeiste­r des deutschen Kinos, steckt in der Krise. Seine Ehe welkt dahin, eine neue Technologi­e namens „Tonfilm“ist noch unwägbar, und nach dem Misserfolg des teuren „Metropolis“sind die Taschen der Geldgeber weniger tief als früher.

In diese Zeit des Umbruchs positionie­rt Regisseur und Co-Autor Gordian Maugg die Titelfigur seines Films „Fritz Lang“. Öffentlich gibt Lang (Heino Ferch) den Partylöwen, daheim wischt er Drehbuchid­een vom Tisch – „Alles Mist“. Doch das wahre, brutale Leben erweist sich als Inspiratio­n: eine beispiello­se Mordserie in Düsseldorf. Lang reist dorthin, begleitet die Ermittlung­en und trifft dabei einen alten Bekannten, Kommissar Gennat – er ermittelte vor Jahren im Fall von Langs erster Frau, die durch eine Kugel in die Brust starb. Unfall? Freitod? Mord? Angeklagt wurde Lang nie. In Düsseldorf nun nimmt Lang Kontakt zum mittlerwei­le gefassten Täter Peter Kürten auf – es ist die Basis für seinen späteren, legendären Film „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“.

Hat sich das alles exakt so zugetragen? Nein. Maugg hat aber keine Künstlerbi­ografie im Sinn, er verwebt Dichtung und Wahrheit zu einem atmosphäri­sch dichten, beklemmend­en Spielfilm, der in schwarzwei­ßen, schattenha­rten Bildern von den Abgründen der menschlich­en Natur erzählt. Nicht nur im Falle des realen, 1931 hingericht­eten Triebtäter­s Kürten, sondern auch in der Person Langs, der im Ersten Weltkrieg (zumindest in diesem Film) eine gewisse Lust an der Gewalt selbst erfuhr. Heino Ferch als Regisseur Fritz Lang (1890-1976) in der Schaffens- und Ehekrise. Zudem erzählt Maugg vom Ende der Weimarer Republik und dem Aufkommen eines Regimes, das den Mörder Kürten an Grausamkei­t in den Schatten stellen wird. Viel packt er in seinen Film hinein, wobei manches skizzenhaf­t bleibt – vor allem die marode Ehe zur Autorin Thea von Harbou.

Exzellent ist der Film aber in seiner Montage von Spielfilmu­nd Archivmate­rial. Da wird Langs Brutalsex mit einer Prostituie­rten verbunden mit alten Bildern Berlins und ersten bedrohlich­en Hakenkreuz-Aufmärsche­n; immer wieder auch finden Szenen aus Langs „M“Eingang in den Film, wenn er etwa Passagen mit Peter Lorre (als Mörder in „M“) verknüpft mit Szenen, in denen Samuel Finzi den Kürten spielt – der in klarster Sprache von grausamste­n Taten erzählt. Im Menschen lauert das Böse. Lang weiß das – und es lässt ihn nicht los.

Deutschlan­d 2015, 104 Min., Filmhaus (Sb); Regie: Gordian Maugg; Buch: Maugg und Alexander Häusser; Kamera: Lutz Reitemeier; Musik: Tobias Wagner; Darsteller: Heino Ferch, Samuel Finzi, Thomas Thieme, Lisa Charlotte Friederich.

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Foto: Tim Fulda/ Belle Epoque Films

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