Die magische Maggie
Neu im Kino: „The Lady in the Van“von Nicolas Hytner – Eine Obdachlose als faszinierende Hauptfigur
Es gibt Schauspieler, die sind gut, bleiben gut und ruhen sich im Alter auf den eigenen Qualitätsstandards und dem erarbeiteten Ruhm aus. Und dann gibt es Maggie Smith, die einfach nicht aufhört, besser zu werden.
Bereits 1970 wurde sie für ihre Hauptrolle in „Die besten Jahre der Miss Jean Brodie“mit dem Oscar ausgezeichnet. Seitdem hat Smith neben ihrer Theaterarbeit 52 Filme und mehrere TVSerien gedreht – etwa die Hälfte davon während der letzten 15 Jahre in einem Alter, in dem sich andere schon längst in den Ruhestand verabschiedet haben.
Die mimischen Nuancen in ihrem faltigen Gesicht und die lebhaften Augen, die schon alles gesehen zu haben scheinen, spiegeln mehr als ein halbes Jahrhundert Berufserfahrung, aber auch ein schauspielerisches Feuer, das man in den Blicken jüngerer Kollegen oft schmerzlich vermisst.
In ihrem neuen Film „The Lady in the Van“von Nicholas Hytner spielt die 81jährige Schauspielerin eine Obdachlose im Londoner Stadtteil Camden der späten siebziger Jahre. In einem klapprigen Lieferwagen zieht Mary von einer Parklücke zur nächsten, bis sie vor dem Haus des Theaterautoren Alan Bennett (Alex Jennings) landet. „Nur vorübergehend“behauptet die alte Dame, erklärt den verdutzten Hausbesitzer zu ihrem Wohltäter und nistet sich für die nächsten 15 Jahre in dessen Einfahrt ein.
Die Geschichte beruht zumindest teilweise auf wahren Begebenheiten, die der Die Obdachlose Mary, gespielt von Maggie Smith, ist im London der späten 70er-Jahre unterwegs. Autor Alan Bennett 1990 in seinem Roman beschrieben hat. Aber das heißt nicht, dass sich der Film dem Realismus verpflichtet fühlt. Mary nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau, verbirgt ihre Herkunft gekonnt hinter dem Schleier der Senilität und behauptet, in ihren Entscheidungen direkt von der Jungfrau Maria gelenkt zu werden. „Ich habe gestern erst mit ihr gesprochen. Sie stand vor der Post“sagt sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet. Und so verfällt Alan dem wirren, unverfrorenen Charme der wohnungslosen Alten und sieht in ihr zunehmend auch eine Quelle der Inspiration.
Auch wenn „The Lady in the Van“das Thema Obdachlosigkeit sicherlich auf eine allzu liebliche Weise angeht und die filmische Umsetzung etwas süßlich geraten ist, vermittelt der Film eine glaubwürdige Faszination für seine Hauptfigur, die ebenso selbstbewusst wie derangiert jenseits gesellschaftlicher Normen lebt. Maggie Smith ist hinreißend in dieser komplexen, schwierigen Rolle, sie übertrifft sich wieder einmal selbst. (GB 2015, 103 Min., Regie: Nicholas Hytner; Buch: Alan Bennett)