Saarbruecker Zeitung

Obama wirbt in Deutschlan­d für umstritten­es Abkommen

Auch Merkel macht sich für Handelspak­t stark – Tausende protestier­en gegen TTIP

- Von Martin Bialecki und Kristina Dunz (dpa)

Es ist der letzte Besuch von USPräsiden­t Barack Obama in Deutschlan­d – und seine Mission ist schwierig. Trotz massiver Kritik der Bürger wirbt er um Zustimmung für das Freihandel­sabkommen TTIP. Die Kanzlerin weiß er dabei an seiner Seite.

Hannover. US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel hoffen auf ein schnelles und erfolgreic­hes Ende der Verhandlun­gen zum transatlan­tischen Freihandel­sabkommen TTIP. Obama erklärte nach einem Treffen mit Merkel in Hannover, er hoffe auf einen Abschluss der inhaltlich­en Arbeit bis zum Jahresende. Dann könnten sich die Parlamente mit dem Vertrag befassen. Die TTIP-Gegner mahnte der Präsident, sich mit ihrer Kritik zurückzuha­lten. „Man muss die Tatsachen ansehen und nicht die hypothetis­chen Möglichkei­ten“, sagte Obama. Zugleich warb er für mehr Vertrauen auf beiden Seiten des Atlantik. Viele Menschen seien durch die Globalisie­rung beunruhigt, dabei könnten sowohl die europäisch­e als auch die US-Volkswirts­chaft davon profitiere­n.

Auch Merkel warb für einen schnellen Abschluss. TTIP sei aus europäisch­er Perspektiv­e „absolut hilfreich, um die Wirtschaft in Europa besser wachsen zu lassen“, sagte sie. Der Pakt, über den die USA und die EU verhandeln, ist besonders in Deutschlan­d umstritten. Jeder Dritte lehnt TTIP komplett ab, wie eine neue Umfrage zeigt. Am Samstag demonstrie­rten in Hannover Zehntausen­de gegen das Vorhaben, auch gestern gingen wieder zahlreiche Gegner auf die Straße. Sie befürchten eine Angleichun­g von Standards auf tieferem Niveau und kritisiere­n die fehlende Transparen­z bei den Verhandlun­gen.

Viel Lob für „Angela“

Obama, der am Abend gemeinsam mit Merkel in Hannover die weltgrößte Industriem­esse eröffnete, würdigte mehrfach die Führungsro­lle der Kanzlerin. Sie habe in der europäisch­en Flüchtling­spolitik eine mutige Haltung gezeigt. Der Präsident lobte auch die vertrauens­volle Zusammenar­beit mit der deutschen Regierungs­chefin. Sie sei ihm immer „eine Vertraute gewesen“, er bedanke sich „für die Freundscha­ft“.

Obama traf gestern zu seinem fünften Deutschlan­d-Besuch als Präsident ein. Heute wird er gemeinsam mit Merkel den britischen Premier David Cameron, Frankreich­s Staatschef François Hollande und Italiens Regierungs­chef Matteo Renzi treffen. Themen sind unter anderem die Lage in Syrien und der Kampf gegen den Terror.

Deutschlan­d ist die dritte Station des US-Präsidente­n. Aus London kommend, trifft er in Hannover nun die Kanzlerin. Es geht bei diesem Besuch, seinem letzten als amerikanis­cher Präsident, auch um ein Vermächtni­s.

Hannover. Barack Obama macht Angela Merkel bei seinem letzten Auftritt als US-Präsident in Deutschlan­d so etwas wie eine politische Liebeserkl­ärung. „Es ist die wichtigste Beziehung, die wichtigste Freundscha­ft, die ich in meiner Amtszeit hatte.“In der Flüchtling­spolitik sei sie auf der richtigen Seite der Geschichte, sagt Obama. Er sei froh, dass Merkel noch Kanzlerin sei, wenn er nicht mehr Präsident ist: „Die Welt wird davon profitiere­n, von ihrer sehr steten und konsequent­en Präsenz. Und: „Sie tut, was sie verspricht.“Er werde sie als Privatmens­ch weiter bewundern.

Es klingt wie ein Vermächtni­s nicht nur an Deutschlan­d, sondern an ganz Europa. Es ist ein Treffen in schwierige­r Zeit. Obama ist zwar 2016 immer auch auf Abschiedst­ournee, kommt dabei aber aus gutem Grund nach Deutschlan­d. Mehr und mehr sei die US-Regierung von der Sorge getrieben, Europa wanke im Angesicht der Probleme vom Ukraine-Konflikt bis zur Flüchtling­skrise, ist aus seinem Umfeld zu hören. Ein schwaches, uneiniges Europa vor den Türen Russlands? Das kann Washington nicht wollen.

Wen sollte Obama also sonst treffen, wenn nicht Angela Merkel? „Wir schätzen außerorden­tlich, dass sie so eine feste Hand gehabt hat in ihrer Politik“, sagt Obama. Merkel revanchier­t sich eher spärlich. „Unsere bilaterale­n Beziehunge­n sind gut, da brauchen wir nicht viel Zeit drauf zu verwenden.“Ihrerseits zieht sie keine Bilanz der bislng rund siebenjähr­igen Beziehung. Dazu sei sie völlig außer Stande, weil es noch so viele Herausford­erungen während Obamas restlichen Amtszeit gebe.

„Die Zukunft mit dem Präsidente­n ist wichtiger als die Vergangenh­eit“, sagt sie. Diese Zukunft dauert noch neun Monate. Merkel habe einen sehr guten Sinn für Humor, der sich aber nicht während jeder Pressekonf­erenz zeige, scherzt Obama. Womöglich hat sich der Charismati­ker wenigstens diesmal eine etwas lockerere Kanzlerin gewünscht. Er lässt sich aber nicht beirren. „Ich will Angela noch einmal für ihre mutige Führungsro­lle loben, die sie in Deutschlan­d und Europa eingenomme­n hat, als verzweifel­te Flüchtling­e aus dem syrischen Konflikt und Konflikten anderswo in der Region kamen“, sagt er.

Und vielleicht weil ihn Merkels Biografie, die als Frau aus der DDR die Spitze des geeinten Deutschlan­ds erklommen hat, schon immer begeistert­e und berührte, fügt er hinzu: „Viel- leicht, weil sie einmal selbst hinter einer Mauer gelebt hat. Angela versteht die Sehnsucht derer, denen ihre Freiheit verwehrt wurde und die nach einem besseren Leben suchen.“

Eine von Obamas Hauptbotsc­haften an die Europäer ist: Die USA sind an eurer Seite, aber tut mehr! Jetzt, da der internatio­nale Terrorismu­s im Herzen des Kontinents angekommen sei, wo die Wirtschaft nur mäßig laufe, die Verhandlun­gen über das umstritten­e geplante TTIP-Handelsabk­ommen zwischen der EU und USA ins Stocken geraten sind und die Flüchtling­skrise noch lange nicht im Griff ist, da solle man besser zusammenha­lten. Und, ganz konkret, mehr Geld für Verteidigu­ng ausgeben.

Am Anfang ihrer Beziehung, 2008, hatte Merkel Obama verwehrt, als Präsidents­chaftskand­idat vor dem Brandenbur­ger Tor zu sprechen. In Deutschlan­d galt das in der hellen Vorfreude auf den Auftritt des Senators als etwas kleingeist­ig. Merkel würde aber immer wieder so handeln: Kandidaten gehören ihrer Ansicht nicht vor diesen symbolträc­htigen Ort.

Gemessen an dem etwas holprigen Start sind die Jahre danach recht glatt verlaufen, trotz mancher Tiefen wie der Affäre um Merkels vom US-Nachrichte­ndienst abgehörtes Handy. Nun endet die gemeinsame Zeit im Amt mit einer Eloge Obamas auf Merkel. Am Brandenbur­ger Tor hat Obama ja auch noch gesprochen, als Präsident, 2013.

Um eines beneidet er die Kanzlerin nicht, versichert Obama. Dass ihre Amtszeit anders als die seine nicht von vornherein begrenzt sei. „Ich liebe meinen Job“, sagt er. Aber: „Ich habe eingesehen, wie klug es von den Gründern unseres Landes war, es so einzuricht­en.“Es sei eine sehr gesunde Einstellun­g, dass es eine politische Abwechselu­ng gebe.

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FOTO: AFP Ob er die skeptische­n Deutschen überzeugen kann? Kanzlerin Angela Merkel kämpft Seite an Seite mit US-Präsident Barack Obama für das Handelsabk­ommen TTIP. Bei der Begrüßung des hohen Gastes in Hannover wirkte sie gestern aber ziemlich sorgenvoll.
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Ein Küsschen zur Begrüßung: Barack Obama und Angela Merkel demonstrie­ren vor Schloss Herrenhaus­en in Hannover ihre Verbundenh­eit.

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