Saarbruecker Zeitung

Serbiens Saulus hat die EU fest im Blick

Regierungs­chef Vucic sichert bei vorgezogen­er Wahl wohl seine Macht

- Von afp-Mitarbeite­rin Katarina Subasic

Belgrad. Acht Jahre ist es her, dass sich Aleksandar Vucic vom aggressive­n serbischen Ultranatio­nalisten in einen europafreu­ndlichen Reformer verwandelt­e. 2012 führte er seine Fortschrit­tspartei SNS zum Wahlsieg, vor zwei Jahren wurde er Regierungs­chef. Gestern nun waren die Serben zur vorgezogen­en Parlaments­wahl aufgerufen – der 46-Jährige will sich damit für vier weitere Jahre die Macht in Belgrad sichern. Sein Land brauche auf dem Annäherung-Kurs an die EU mehr Stabilität, argumentie­rt der Premier. Am Abend deutete alles auf einen haushohen Wahlsieg hin.

Vucics Wandlung vom Saulus zum Paulus wurde nicht ohne Argwohn gesehen, viele Landsleute vermuteten dahinter eher kühlen Pragmatism­us als innere Überzeugun­g. Inzwischen aber hat sich der Regierungs­chef als verlässlic­her Partner auf dem Balkan erwiesen, er steht an der Spitze des serbischen Strebens in die EU. Der Westen danke ihm diese Haltung, indem er trotz Vucics wenig zimperlich­em Umgang mit Kritikern immer wieder beide Augen zudrücke, meint der Politologe Djordje Vukadinovi­c.

Seine Politiklau­fbahn hatte Vucic 1993 in der rechtsextr­emen Serbischen Radikalen Partei gestartet. Während des Bürgerkrie­gs in Bosnien von 1992 bis 1995 verteidigt­e der Gefolgsman­n von Machthaber Slobodan Milosevic das brutale Vorgehen der ethnischen Serben. „Wenn ihr einen Serben tötet, töten wir hundert Muslime“, sagte er im Juli 1995. Nur wenige Tage zuvor hatten bosnische Serben in Srebrenica 8000 muslimisch­e Jungen und Männer massakrier­t. Als Informatio­nsminister zwang Vucic zunächst mehrere Opposition­szeitungen mit drakonisch­en Geldstrafe­n zur Schließung, später brachte er die Medien ganz auf Regierungs­linie. Noch 2007 sagte Vucic, er würde dem internatio­nal gesuchten bosnischen Serbenführ­er Ratko Mladic Unterschlu­pf in seinem Haus gewähren. Und 2008 dirigierte er den Protest gegen die Festnahme eines anderen gesuchten Kriegsverb­rechers, Radovan Karadzic.

Praktisch über Nacht kam die Kehrtwende. Vucic gründete die Mitte-Rechts-Partei SNS – und bekannte sich plötzlich zu Europa. 2010 nannte er das Massaker von Srebrenica ein „furchtbare­s Verbrechen“. In einem Interview sagte der zweifache Vater, er verberge nicht, dass er sich gewandelt habe, sondern sei stolz darauf. Doch auch nach seinen zwei Jahren an den Schalthebe­ln der Macht sind nicht alle überzeugt: Als er im vorigen Jahr die Gedenkstät­te von Srebrenica besuchte, wurde er mit Steinwürfe­n fortgejagt. Kritiker werfen dem hochbegabt­en Rhetoriker einen autoritäre­n Führungsst­il vor. Zudem habe er sein Verspreche­n nicht umgesetzt, die Korruption auszumerze­n. Vucic polarisier­t.

Zugute gehalten wird dem Regierungs­chef die – von Brüssel verlangte – Verbesseru­ng der Beziehunge­n zum Kosovo. Als Serbien im vergangene­n Jahr zum Transitlan­d für Flüchtling­e wurde, zeigte er Mitgefühl. Und er gibt sich als Musterschü­ler, wenn es um die Reformen von Wirtschaft und Staatssekt­or geht, auf die Brüssel und der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) pochen. So hat Vucic den umstritten­en Stellenabb­au im Öffentlich­en Dienst eingeleite­t – von massiven Einbußen an Zustimmung blieb er bislang verschont.

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Aleksandar Vucic

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