Abgas-Krise erfasst ganze Branche
Fiat unter Manipulationsverdacht – Minister Dobrindt unter Druck
Nicht nur VW, sondern auch viele andere Hersteller stehen wegen erhöhter Abgaswerte unter Druck. Besonders im Visier der Prüfer ist offenbar Fiat. Fragen rund um die Affäre beantworten dpa-Mitarbeiter Anne-Béatrice Clasmann und Jan-Henrik Petermann.
Müssen die Autobesitzer bei dem Rückruf mitmachen? Analysen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) hatten ergeben: Bei 22 von 53 getesteten Dieselwagen bestehen Zweifel, ob das Herunterregeln der Abgasreinigung bei niedrigeren Temperaturen wirklich nur mit dem Schutz von Motorbauteilen zu tun hat. Bei rund 630 000 Autos sollen die Hersteller daher nun die Technik nachbessern. Für die Kunden ist die Aktion freiwillig. Sie entscheiden, ob sie das Software-Update an ihrem Auto machen lassen oder nicht. Ein Entzug der Betriebserlaubnis droht nicht.
Besteht ein Teilnahmezwang für die Hersteller? Die Autobauer betonen zwar auch die „Freiwilligkeit“der geplanten Aktion. Sie haben sich aber gegenüber Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schriftlich verpflichtet, die beanstandeten Wagen zurückzurufen. Betroffen sind unter anderem Mercedes, Opel, Audi, Porsche und die leichten VW-Nutzfahrzeuge, aber auch ausländische Marken wie Fiat und Renault.
Was wird Fiat vorgeworfen? In einem Test habe es ein „Indiz“ auf spezielle Unregelmäßigkeiten gegeben, berichtete die „Bild am Sonntag“. Gesucht werde nun ein Steuerungselement, das in der Lage sein soll, die Abgasreinigung bei einem Dieselfahrzeug nach 22 Minuten abzuschalten. Ein Abgastest auf dem Prüfstand dauert demnach rund 20 Minuten.
Gibt es auch Schadenersatz-Ansprüche für die betroffenen Kunden? Hier stellt sich zunächst die Frage, wer Geschädigter ist: die Halter oder Menschen, die in Straßen mit hoher Stickoxid-Belastung leben? Außerdem ist es in Deutschland nicht so einfach, solche Ansprüche durchzusetzen. Sammelklagen wie in den USA gibt es hierzulande nicht.
Drohen den Autoherstellern außer dem Rückruf weitere Konsequenzen? Langfristig dürften strengere Vorschriften kommen. Dobrindt hält die nun nachgewiesene Drosselung der Abgasreinigung bei niedrigen und sehr hohen Temperaturen („Thermofenster“) zwar nicht für illegal. Er räumte aber ein, dass die zugrundeliegende EU-Verordnung wohl zu viel Spielraum biete. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat angekündigt, jetzt auf EU-Ebene die Initiative zu ergreifen. Werden die Thermofenster dann komplett verboten? Das ist noch unklar. Bei der Rückruf-Ankündigung sagte Dobrindt: „Die Untersuchungskommission hat die betroffenen Hersteller aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um das Thermofenster auf das tatsächlich notwendige Maß zu beschränken.“Hendricks sagt: „Thermofenster müssen der Vergangenheit angehören.“
Hat Minister Dobrindt Fehler gemacht? Aus Sicht der Opposition soll der Abgas-Untersuchungsausschuss prüfen, ob Analysen zugunsten der Autolobby verschleppt wurden. „Wenn sich der Verdacht erhärtet, dass Dobrindt das letzte halbe Jahr genutzt hat, um sich mit den Konzernen abzustimmen, haben wir ein richtiges Problem“, sagte der Linke-Abgeordnete Herbert Behrens, der das Gremium leiten soll.
Ändert sich bald etwas an der Aufsicht über die Autozulassung? Ja. Das KBA musste mit Abgastests bisher Prüfinstitute wie Tüv und Dekra beauftragen. Künftig soll es mit mobilen Geräten selber testen können. Dobrindt hat angekündigt, die Behörde werde auch unangemeldete „Dopingtests“durchführen. Umweltschützer sehen das aber skeptisch. Sie werfen dem KBA eine zu große Nähe zur Autoindustrie vor und fänden es besser, wenn mit dieser Aufgabe zum Beispiel das Umweltbundesamt (UBA) betraut würde.