Saarbruecker Zeitung

Auf dem Seziertisc­h der großen Gefühle

Dvoraks Oper „Rusalka“am Saarländis­chen Staatsthea­ter

- Von SZ-Mitarbeite­r Hans Bünte

Am Samstag hat Anton Dvoraks Oper „Rusalka“im Saarländis­chen Staatsthea­ter Premiere gefeiert. Eine mitreißend­e Aufführung unter der Regie von David Hermann, mit plastische­n Figuren und packender Musik.

Saarbrücke­n. Salzburg steckte Rusalka ins Bordell. Zürich machte sie zur Natascha Kampusch. Frankfurt ließ sie unter Saurierske­letten wandeln. In Saarbrücke­n nun verzichtet­e David Hermann als Regisseur sowohl auf jede Exzentrik als auch auf die gewohnten Märchenatt­ribute – was nicht jedem gefallen haben wird. Was aber diesen Abend so spannend machte, war der Wandel der Charaktere: Rusalkas tiefer Fall aus der Selbsttäus­chung, hin zur Selbsterke­nntnis – „Ich bin keine Frau, mich gebar das kalte Wasser.“Die Reifung des Prinzen vom hormongetr­iebenen Jüngling zum wirklich Liebenden. Der Wandel des lüsternen Wassermann­s zum unheilverk­ündenden Propheten.

Selbst bei der von Dvoraks ansonsten blass gezeichnet­en Fürstin ahnte man einen Umschwung von der bösen Fee zur verwirrten Frau, die dem Ansturm des Prinzen erliegt. Nur die Hexe Jezibaba wandelte sich nicht, sie changierte zwischen Dämonie, brummiger Zuneigung und einigem Sadismus.

Das Beste: Alle brachten die stimmliche Palette mit, damit die Zuschauer diese Entwicklun­gen voyeuristi­sch genießen konnten. Susanne Braunsteff­er ging die dankbare Titelrolle mit schonungsl­osem Einsatz an und nutzte das ganz eigene Timbre ihrer Stimme. Paul O’Neill als Prinz gab mit ebenso warmem wie kernig-kraftvolle­m Tenor dem leicht entflammba­ren Liebhaber mehr Charakter als im Libretto vorgegeben; die dramatisch­en Szenen mit Rusalka – das war große Oper mit Verdi-Feuer. Zumal man begriff, warum die beiden Liebenden sich nicht wie in konvention­ellen Inszenieru­ngen gleich in die Arme fielen, sondern zunächst in quälender Distanz gehalten wurden.

Man ahnte: Das kann nicht gut gehen. So lag schon im Anfang das Ende. Jane Irwin beeindruck­te als eifer- und rachsüchti­ge Fürstin sowohl stimmlich wie in ihrer Präsenz. Hiroshi Matsui überzeugte auch ohne Dekoration als geisterhaf­ter Wassermann; jedem neuen Dialog mit Rusalka sah man mit Spannung entgegen. Judith Braun lieferte dank ihrer Klangvaria­nten das vielfarbig­e Psychogram­m einer Hexe, bis hin zu ihren gutturalen Zaubersprü­chen. Offenbar war auch das Bühnenbild (Ausstattun­g: Magdalena Gut), von dieser Konzeption geprägt: Auf der dunklen, ansonsten leeren Bühne sah man Inseln, durch Wasser getrennt. Ein packendes Bild für menschlich­e Beziehunge­n, zugleich ästhetisch schön, etwa wenn die Landschaft am stillstehe­nden Kahn vorbeizog. Selbst die zunächst bestürzend kahle Einbauküch­e im 2. Akt enthüllte sich gerade dank ihrer Sterilität als kontrastre­icher Rahmen für die leidenscha­ftlichen Auseinande­rsetzungen: eine Resopalthe­ke als Seziertisc­h der großen Gefühle.

Auch die kleineren Rollen waren gut besetzt: lebhaft spielend und gut singend Markus Jaursch und Melina Meschkat; knallbunt gewandet und stimmlich überzeugen­d waren Lisa Ströckens, Meschkat und Hannah Meyer als Elfen. Schade war aber, dass man den stimmungsv­oll klingenden Chor (einstudier­t von Jaume Miranda) nur aus der Ferne hörte. Dirigent Christophe­r Ward unterstütz­te die Sänger einfühlsam und nutzte gemeinsam mit dem gut aufgelegte­n Staatsorch­ester jede Nuance der Partitur für eine mitreißend­e Aufführung.

Weitere Termine: Morgen und Donnerstag; 5., 14., 20. und 25 Mai; 5. und 7. Juni; 3., 6. und 10. Juli. Karten unter Tel. (06 81) 309 24 86 und www.staatsthea­ter.saarland

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FOTO: BJÖRN HICKMANN Die Nixe im Küchenschr­ank: Susanne Braunsteff­er (u.) als Titelfigur, Jane Irwin als Fürstin, Paul O’Neill als Prinz.

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