Haseloff erst im zweiten Anlauf gewählt
Alter und neuer Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt zunächst ohne nötige Mehrheit
Ein gelungener Auftakt sieht anders aus: Erst im zweiten Durchgang ist Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff (CDU) gestern wiedergewählt worden. >
Es ist ein Experiment: Erstmals will die CDU in Sachsen-Anhalt mit SPD und Grünen regieren. Die Partner haben nur eine knappe Mehrheit. Selbst die stand bei der Wahl von Regierungschef Haseloff nicht auf Anhieb.
Magdeburg. Es wurde eine Zitterpartie für Reiner Haseloff. Der CDU-Politiker saß schon eine Viertelstunde vor Beginn der Landtagssitzung am Montagvormittag auf seinem Platz, die Hände gefaltet. Immer wieder rieben die Daumen nervös aneinander. Kameras beobachteten jede Regung des sonst eher sachlichen Ministerpräsidenten. Während die 87 Abgeordneten ihre Stimmen abgaben, saß Haseloff meist zurückgelehnt, recht regungslos auf seinem Platz – als habe er die Niederlage im ersten Wahlgang schon geahnt.
Dann verkündete Landtagspräsident Peter Hardy Güssau die Schlappe: Mindestens fünf Abgeordnete des künftigen Bündnisses von CDU, SPD und Grünen – kurz „Kenia“-Koalition getauft – verpassten dem 62 Jahre alten Haseloff einen Denkzettel und verweigerten ihm die Stimme. Ein Raunen ging durch das Parlament.
In der anschließenden Pause trafen sich die Fraktionen erneut. Grünen-Parteichefin Cornelia Lüddemann sagte auf dem Weg aus dem Plenarsaal: „Ich hoffe, dass die CDU die Pause nutzt.“CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt betonte im Anschluss, er habe seinen Fraktionskollegen die Bedeutung der Abstimmung nochmals deutlich gemacht. Im zweiten Anlauf ging alles glatt. Haseloff wurde mit Blumen und Applaus gefeiert – von der AfD allerdings mit wenig Euphorie. Die Rechtspopulisten hatten bei der Landtagswahl 24 Prozent der Stimmen geholt. Koalieren will mit ihnen aber niemand. Fraktionschef André Poggenburg und seine Fraktion verzichteten denn auch zu großen Teilen auf Applaus für Haseloffs Wiederwahl. Ihren Blumenstrauß hielt die AfD anders als die anderen vier Fraktionen bis zuletzt verborgen.
Haseloffs Ehefrau Gabriele, die als Zuschauerin von der Tribüne aus die Sitzung verfolgte, sagte, die Anspannung sei bei ihrem Mann seit dem Vorabend schon groß gewesen. Die CDU hatte wie gewohnt auf eine Probeabstimmung verzichtet. Bei SPD und Grünen sollen beim Testlauf 100 Prozent für Haseloff gestimmt haben. Auf Parteitagen hatten sich alle drei Partner deutlich für die Koalition und den ausgehandelten Vertrag als Basis für die Zusammenarbeit ausgesprochen. In der Union hatte es aber Unmut über das künftig grün besetzte Umwelt- und Landwirtschaftsministerium gegeben – bislang war es in CDU-Hand. Bauern, Forstwirte und Jäger hatten sogar vor dem Landtag demonstriert. Sachsen-Anhalt ist ein Agrarland, die CDU besonders stark im ländlichen Raum.
Wie es künftig im Magdeburger Landtag zugehen könnte, zeigten gestern die Statements von Haseloff und Oppositionsführer Poggenburg. Der AfDFraktionschef sagte: „Ich denke, dass die Kenia-Koalition keine erfolgreiche Koalition werden wird, weil die bisherige schwarz-rote Koalition schon kein gutes Ergebnis geleistet hat. Nun kommen ja noch grüne Radikale dazu. Und was soll da wirklich rauskommen für Sachsen-Anhalt?“
In seinen ersten Worten ans Parlament teilte Haseloff klare Seitenhiebe gegen die AfD aus. Diese Regierung werde sich in höchstem Maße bemühen, Politik für alle Bürgerinnen und Bürger zu machen. „Das sage ich ganz ausdrücklich vor dem Hintergrund der Zusammensetzung unseres Parlamentes.“Eine weitere Polarisierung der Gesellschaft werde er nicht zulassen. Es müsse alles dafür getan werden, dass die Werte des Grundgesetzes und der Landesverfassung gestärkt werden.