Saarbruecker Zeitung

„Wir standen unter Schockstar­re“

Ex-Umweltmini­ster Klaus Töpfer über Tschernoby­l, den Klimawande­l und die Schwierigk­eiten der Energiewen­de in Deutschlan­d

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Ein Jahr nach Tschernoby­l wurde Klaus Töpfer Bundesumwe­ltminister, er blieb es bis 1994. Der ehemalige Chef der CDU Saar gilt als einer der renommiert­esten Umweltpoli­tiker Deutschlan­ds. Nach Fukushima leitete er die von der Bundesregi­erung eingesetzt­e Ethikkommi­ssion für eine sichere Energiever­sorgung nach dem Atomaussti­eg. Mit ihm sprach SZKorrespo­ndent Hagen Strauß. Herr Töpfer, welche Erinnerung haben Sie an den Super-Gau?

Töpfer: Ich war unmittelba­r eingebunde­n in die Informatio­nsströme, denn damals war ich Umweltmini­ster in Rheinland-Pfalz. Als die spärlichen Nachrichte­n über diese Katastroph­e nach und nach durchsicke­rten, standen wir zunächst unter Schockstar­re. Wir haben dann aber zügig über alle Parteigren­zen hinweg Vorsorge getroffen, dass die Menschen in unserem Land nicht negativ von der Katstrophe betroffen wurden.

Begann mit Tschernoby­l das Umdenken

in der Atompoliti­k?

Töpfer: Das Umdenken hatte schon vorher begonnen. Tschernoby­l hat es aber deutlich vorangetri­eben. Damals waren die Grünen bereits in Hessen in der Regierung, einer meiner intensiven Partner in diesem Zusammenha­ng war Joschka Fischer. Ich erinnere mich an ein Interview, das ich gegeben hatte, darüber stand schon die Überschrif­t: „Töpfer – eine Zukunft ohne Kernenergi­e erfinden.“

Für den Beginn des Ausstiegs war die Zeit aber noch nicht reif?

Töpfer: Nach meiner Überzeugun­g: Nein. Die Energietec­hnologien, die wir dafür gebraucht hätten, waren noch nicht verfügbar. Es wurde erst damit begonnen, Erneuerbar­e Energien zu erforschen und sie in ihren Kostenstru­kturen zu senken. Und zwar nicht nur wegen der Notwendigk­eit, aus der Kernenergi­e auszusteig­en. Sondern auch, weil es eine Zunahme an CO2 gab, also wegen des Klimawande­ls. Dadurch wurde der Druck auf die wissenscha­ftliche Forschung und wirtschaft­liche Entwicklun­g Erneuerbar­er Energien deutlich verstärkt.

25 Jahre später hat die Katastroph­e von Fukushima dann alles verändert.

Töpfer: Nicht nur verändert, sondern massiv verstärkt. Vergessen werden darf allerdings nicht, dass vorher schon einmal in Deutschlan­d der Beschluss zum Ausstieg gefasst worden ist – 2001 durch die rot-grüne Regierung. Aber es war eben ein Beschluss, der nur von einem Teil des Parlamente­s unterstütz­t wurde. Erst nach Fukushima wurde der Ausstieg nahezu einstimmig im Bundestag beschlosse­n und damit die Umsetzung auf eine breite Basis der Gesellscha­ft gestellt.

Trotzdem setzen Japan, aber auch Länder wie Frankreich und Belgien weiter auf die Atomkraft. Hat das wirtschaft­liche Gründe?

Töpfer: Wenn nur die wirtschaft­lichen Interessen zählen würden, würde man nicht auf die Kernenergi­e setzen. Die Erneuerbar­en Energien sind zwischenze­itlich nicht nur risiko- und CO2-arm, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Wir haben im letzten Jahr wieder erlebt, dass es weltweit mehr Investitio­nen in Erneuerbar­e Energien gegeben hat als in die konvention­ellen.

Fehlt die Einsicht?

Töpfer: Sicher gibt es unterschie­dliche Interessen­lagen. Es ist immer die Frage, wie man den Umstieg gestalten kann. Dass das nicht einfach ist, erleben wir auch in Deutschlan­d, wo die Umsetzung der Energiewen­de mit vielen Schwierigk­eiten verbunden ist. Bisher ist sie weitestgeh­end nur eine Energieerz­eugungswen­de, die die Mobilität und die Wärme praktisch noch nicht einschließ­t.

Schauen Sie mit Sorge auf die offenbar störanfäll­igen AKW in Frankreich und Belgien?

Töpfer: Ich gehe davon aus, dass die Menschen, die dort Verantwort­ung für diese Technik übernehmen, sich dieser sehr großen Verantwort­ung auch im vollen Maße und ständig wohl bewusst sind. Das muss man immer wieder einfordern. Die Notwendigk­eit eines Umstieges muss in den Ländern selbst gesehen werden. Ich glaube, dass die Wettbewerb­sfähigkeit der Erneuerbar­en diese Einsicht deutlich beflügeln wird.

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Töpfer (77) glaubt fest an die Kraft der Erneuerbar­en Energien.

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