Saarbruecker Zeitung

Die FPÖ greift nach der Macht in der Hofburg

Hofer ist aussichtsr­eichster Kandidat bei Stichwahl ums Präsidente­namt

- Von dpa-Mitarbeite­r Matthias Röder

Die Rechtspopu­listen in Österreich haben Geschichte geschriebe­n. Ihren Triumph bei der ersten Runde der Bundespräs­identenwah­l wollen sie am 22. Mai krönen. Kommt es zu einer großen Anti-FPÖ-Koalition?

Wien. „Protest-Tsunami“, „Erdbeben“, „Erdrutschs­ieg“– mit Naturgewal­ten haben die österreich­ischen Medien das spektakulä­re Ergebnis der ersten Runde der Bundespräs­identenwah­l verglichen. Die Rechtspopu­listen der FPÖ stehen vor ihrem größten Triumph: dem Einzug in die Hofburg in Wien. Der Mann der Stunde ist Norbert Hofer (45), der mit seiner smarten Art wesentlich zum Rekordsieg der „Blauen“beigetrage­n hat. „Die FPÖ ist nicht mehr das Schmuddelk­ind der Politik“, kommentier­t das Boulevardb­latt „Kronen Zeitung“.

Bis zur Stichwahl am 22. Mai sehen viele Beobachter nun einen Lager-Wahlkampf auf die Alpenrepub­lik zukommen: „Blau“gegen „Grün“. Auf dem zweitplatz­ierten 72jährigen Wirtschaft­sprofessor Alexander Van der Bellen, einstiger Chef der Grünen, ruhen alle Hoffnungen der FPÖ-Gegner. Er hat sich als bedächtige­r und eher behutsamer Staatsmann in spe positionie­rt.

Auch wenn sich Van der Bellen selber Mut macht („Jetzt werden die Karten neu gemischt.“), geht Hofer als klarer Favorit ins Rennen um das höchste Amt im Land. Diese Rolle wird nicht nur durch den großen Abstand von rund 14 Prozentpun­kten untermauer­t. Vielmehr hat Hofer mit seinen Themen einen Nerv getroffen. Er will sich mehr als jeder andere Bundespräs­ident bisher in die Tagespolit­ik einmischen, der rot-schwarzen Regierung genau auf die Finger schauen und droht gar offen mit deren Entlassung, wenn die Dinge nicht so laufen, wie er sich das wünscht. „Die Regierung muss wissen, es wird für sie schwierige­r, aber für Österreich besser“, sagt Hofer selbstbewu­sst.

Genau diese Vorhaben sind laut Sozialfors­chungsinst­itut Sora mehrheitsf­ähig. „Soll ein Bundespräs­ident die Regierung entlassen, wenn aus seiner Sicht nichts weitergeht?“, fragte das Institut. 56 Prozent der Bevölkerun­g stimmen dieser Aussage „sehr“oder „ziemlich“zu. Auch der laufenden Einmischun­g in die Innenpolit­ik durch den Staatschef können 57 Prozent etwas abgewinnen.

Dagegen ist ein „Trumpf“Van der Bellens im Versuch, eine Anti-FPÖ-Koalition zu schmieden, möglicherw­eise nicht so stichhalti­g. Der 72-Jährige wirbt damit, einen FPÖ-Kanzler auch bei einer Mehrheit der Rechtspopu­listen nicht mit der Regierungs­bildung beauftrage­n oder ihn vereidigen zu wollen. Aber 80 Prozent der Bevölkerun­g wollen „sehr“oder zumindest „ziemlich“, dass ein Staatschef jede Regierung akzeptiert und keine Tabus kennt. Der Erfolg einer Anti-FPÖ-Koalition scheint unter diesen Vorzeichen zumindest fraglich. Der Triumph der FPÖ basiert längst nicht allein auf ihrer AntiWillko­mmens-Haltung in der Flüchtling­sfrage. Vielmehr befürchten viele Bürger einen wirtschaft­lichen Niedergang. Nicht von ungefähr will die Regierung nun also hier nachlegen. „Das ist ein Warnsignal an die Regierung. Krempelt endlich die Ärmel auf. Und tut etwas gegen die Arbeitslos­igkeit und die steigende Zahl von Menschen, die nicht von ihrer Arbeit leben können“, sagte Kanzler Werner Faymann dem „Kurier“.

Ungemach droht der SPÖ auch wegen ihrer inzwischen restriktiv­en Flüchtling­spolitik. Die geplante Verschärfu­ng der Asylgesetz­e in dieser Woche im Parlament wollen nicht alle Genossen mitmachen. Der Schwenk habe nichts gebracht und zerstöre die Werte der Partei. „Die Menschen gehen zum Schmied und nicht zum Schmiedl“, hieß es mit Blick auf die FPÖ, die das eigentlich­e Sammelbeck­en für die Flüchtling­s-Skeptiker sei.

35,3 % der Stimmen gingen in der ersten Runde der österreich­ischen Präsidente­nwahl an die FPÖ. Quelle: Vorläufige­s Endergebni­s

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