Kerber will nicht mehr ergebnisorientiert denken
Kielerin fährt nach Turniersieg in Stuttgart als Mitfavoritin zum zweiten Grand-Slam-Turnier des Jahres nach Paris
Angelique Kerber zählt nach ihrer Titelverteidigung in Stuttgart auch bei den Ende Mai beginnenden French Open zu den Topfavoritinnen. Doch die Melbourne-Siegerin will ausspannen und sich nicht unter Druck setzen lassen.
Stuttgart. Die Herausforderungen für Angelique Kerber nahmen einfach kein Ende. Nach der souveränen Titelverteidigung von Stuttgart und dem anschließenden Interview-Marathon wurde die Australian-Open-Siegerin in den Katakomben der Arena von einem Mädchen abgefangen. Der kleine Fan wollte seine „Angie“partout nicht hergeben, strich ihr immer wieder über die Haare und lud die 28-Jährige spontan zu einer Spielrunde ein. Die erschöpfte, aber glückliche Kerber meisterte auch diese Situation. Gespielt wurde zwar nicht, aber der Tennis-Nachwuchs blieb selig zurück.
Auf Gelassenheit als Erfolgsfaktor setzt Kerber nach dem 6:4, 6:0 im Finale gegen Laura Siegemund auch in den kommenden Wochen. Wohlwissend, dass sie bei den anstehenden French Open (ab 22. Mai) zu den Favoritinnen zählt. „Ich weiß, dass ich auf Sand gut spielen kann. Mit dieser Einstellung gehe ich nach Paris“, sagte die Weltranglistendritte selbstbewusst, bevor sie sich für ein „paar freie Tage“nach Hause verabschiedete.
Druck jedenfalls, den will sie sich nach ihrem neunten Titelgewinn auf der Tour auch in Frankreich nicht machen. Konkrete Ziele nennt die Kielerin nicht. „Ich möchte nicht ergebnisorientiert denken. Weil ich weiß: Das kann nur schief gehen“, sagte Kerber mit Blick auf das erste Grand-Slam-Turnier seit ihrer Sternstunde in Down Under.
Die Voraussetzungen zum Punktesammeln für die WTARangliste könnten in den kommenden Wochen aber kaum besser sein. Bei den nächsten Turnieren in Madrid (ab 30. April) und Rom (ab 9. Mai) hat Kerber kaum Zähler von 2015 zu verteidigen. Und auch bei den French Open im Stade Roland Garros kam im Vorjahr schon in der dritten Runde gegen Garbine Muguruza (Spanien) das Aus.
Angelique Kerber hat die richtige Balance gefunden und ist auf dem Tennisplatz erfolgreich – wie gerade in Stuttgart.
Die erste Titelverteidigung ihrer Karriere war für Kerber aber auch in anderer Hinsicht eine Bestätigung. „Ich denke, ich weiß jetzt, was ich mir außerhalb des Platzes zumuten kann – und wie es laufen wird“, sagte die Linkshänderin und meinte: „Es wird ja in Zukunft auch nicht weniger.“
Der Hype um die neue TennisKönigin war beim Heimspiel riesig – „alle wollen Angie“, lautete das Motto. Doch Kerber fand die Balance zwischen ihren Auftritten bei Terminen und auf dem Platz. „Ich werde mir immer meine kleinen Freiräume nehmen, die ich ganz für mich brauche“, kündigte sie an. In Stuttgart zum Beispiel ging sie zum Abschalten einfach mal Minigolfen. „Angie ist ein Champ. Sie hat den ganzen Stress gut weggesteckt und bislang ein fantastisches Jahr gespielt“, sagte ihr Manager LarsWilhelm Baumgarten. In der zweiten Jahreshälfte sollen Kerbers Pflichttermine etwas heruntergefahren werden.
Die deutsche Nummer eins präsentierte sich auch im Schwäbischen volksnah und bodenständig. „Ich bin die Person geblieben, die ich war“, meinte Kerber: „Das ist mir das Wichtigste.“sid