Von Kopf bis Fuß kontrolliert
Studie des Bundesgesundheitsministeriums warnt vor unbekümmertem Umgang mit Gesundheits-Apps
Digitale Gesundheitsanwendungen messen den Blutdruck, überprüfen die Blutzuckerwerte oder zählen beim Joggen die Schritte und Herzschläge. Doch ihre Qualität lässt oft zu wünschen übrig.
Berlin. Hochleistungscomputer im Kleinstformat fügen sich nahtlos ins Alltagsleben ein. Sie sind nicht nur für Wellness und Fitness geeignet: Hochwertige Apps können Teil der medizinischen Versorgung werden und etwa Herz- und Diabetes-Patienten oder sturzgefährdete Senioren mit Arztpraxen, Krankenhäusern und Pflegediensten verbinden.
Die digitale Vermessung des Menschen wird immer stärker Teil des Alltags. Für die Hersteller ist sie ein Milliarden-Markt. Doch der Boom der Gesundheits-Apps – auch unter dem Schlagwort mobile Gesundheit oder mHealth in der Diskussion – lässt immer mehr warnende Stimmen laut werden. Erst kürzlich kritisierte die Konferenz der Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder die Hersteller von digitalen Gesundheitsanwendungen scharf. Ein Schutz der Persönlichkeitsrechte der Nutzer sei nicht gegeben. Solche Einlassungen verstärken die Sorge vor einer
Bei vielen Menschen bleibt nichts unvermessen – doch es gibt kaum Datensicherheit.
Entwicklung hin zum gläsernen Menschen.
Am Montag warnte auch Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) vor einem allzu unkritischen Umgang mit den Minicomputern. Einerseits seien viele Apps heute schon ein Ansporn, sich mehr zu bewegen und sich gesünder zu ernähren, sagte der Minister mit Verweis auf eine von ihm in Auftrag gegebene Studie, die die Medizinische Hochschule Hannover und das Peter-L.-Reichertz-Institut für Medizinische Informatik erstellt haben. Doch bei mehr als 100 000 Gesundheits-Apps sei es für Bürger, aber auch für Ärzte nicht einfach, zwischen guten und schlechten Angeboten zu unterscheiden.
„Qualitativ hochwertige Gesundheits-Apps", die dem Nutzer nützliche Informationen böten und ihren versprochenen Zweck sicher und verlässlich erfüllten, seien „eher die Ausnahme als die Regel“, heißt es kritisch in der rund 350 Seiten dicken Studie. „Umfassende Belege für den Nutzen fehlen bisher.“Neue Anwendungen könnten die Nutzer „verwirren, fehlinformieren oder in falscher Sicherheit wiegen“. Qualitätsund Sicherheitsstandards, Datenschutz und ethische Fragen sind laut Studie die Herausforderungen, denen sich die Hersteller und Nutzer dieses boomenden Marktes stellen müssen. Beispiele: Der Konzern Generali kündigte bereits vor längerer Zeit an, für seine Berufsunfähigkeitsversicherung Daten über Fitness und Lebensstil sammeln zu wollen. Dabei würden Kunden, die ihr gesundes Leben per App dokumentierten, Gutscheine und Rabatte bei Prämien gewährt. Und die DAK-Gesundheit bezuschusst Smartwatches und Fitness-Tracker, die mit einer entsprechenden App ausgestattet sind. Der Kunde muss dabei seine Gesundheitswerte nachvollziehbar dokumentieren.
Ungeklärte Verantwortung Auch die Qualität der Minicomputer ist umstritten. Die Medikamenteneinnahme dürfe man nicht einer App überlassen, die fachfremde Programmierer entwickelt hätten, warnt Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband. Gesundheits-Apps könnten auch Schaden anrichten. Es sei Aufgabe der Politik, Standards für Qualität, Datenschutz und Datensicherheit zu entwickeln.
Gröhe sieht aber auch die Anbieter in der Pflicht. Die AppHersteller müssten Selbstverpflichtungen zu Qualität und Datenschutz eingehen. Bei nachgewiesener Wirksamkeit sollten digitale Angebote dafür möglichst schnell in den Leistungskatalog der Krankenkassen übernommen werden.